Direkt zur Hauptnavigation springen Direkt zum Inhalt springen

Überlebensstrategien von Campylobacter spp. auf Hähnchenfleisch

Identifikation von VBNC-Induktionsbedingungen sowie Evaluation von Gegenmaßnahmen

Die Campylobacteriose, ausgelöst durch für den Menschen pathogene Campylobacter spp., ist eine Form der bakteriellen Gastroenteritis und stellt mit rund 230.000 gemeldeten Fällen jährlich in der Europäischen Union und, laut Robert-Koch-Institut, 70.000 Fällen in Deutschland die häufigste durch Bakterien verursachte lebensmittelassoziierte Krankheit dar.

Es wird angenommen, dass 20 bis 30 Prozent der Campylobacteriose-Fälle beim Menschen auf die Handhabung, Zubereitung und den Verzehr von Masthähnchen zurückzuführen sind. Durch Grundlagenerhebungen der EFSA (2010) konnte gezeigt werden, dass EU-weit durchschnittlich 75,8 Prozent der Masthähnchen-Schlachtkörper mit Campylobacter spp. kontaminiert waren. Basierend auf Daten des BVL wurden in Deutschland 2020 auf 54 Prozent der untersuchten Hähnchenfleisch-Proben Campylobacter spp. gefunden. Trotz der Verbesserungen im Bereich der Prozesshygiene bleiben diese Zahlen seit Jahren gleichbleibend auf hohem Niveau.

Betrachtet man jedoch die absoluten Keimzahlen auf den Halshautproben fällt auf, dass lediglich 21,9 Prozent sehr hoch mit Campylobacter spp. (>1.000 KbE/g), der Großteil der Proben jedoch gering (25,7 % mit 1000-10 KbE/g) bzw. sogar unter der Nachweisbarkeitsgrenze (52,5 % mit <10 KbE/g) belastet waren. Obwohl also das eingeführte Prozesshygienekriterium (ab 2020: 30% der Proben mit >1.000 KbE/g) erreicht wurde, bleiben die Infektionszahlen unverändert hoch.

Um diese Diskrepanz besser zu verstehen, sollen im Nachwuchsförderprojekt des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Fleisch wichtige Erkenntnisse im Zusammenhang mit VBNC (viable but non culturable)-Campylobacter erlangt werden. Der VBNC-Zustand bezeichnet einen speziellen metabolischen Zustand, der es Bakterien ermöglicht, unter für sie widrigen Bedingungen (u.a. geringe Temperaturen, Sauerstoff) zu überleben. Jedoch können VBNC-Campylobacter nicht mehr auf artifiziellen Nährmedien, wie sie bei Standarddetektionsverfahren im Lebensmittelbereich eingesetzt werden, nachgewiesen werden. Gerade Bedingungen während des Schlachtprozesses, der Lagerung und dem Transport von Fleischerzeugnissen können also die Entstehung von VBNC-Campylobacter fördern. Folglich könnten die absoluten lebensfähigen Keimzahlen von Campylobacter spp. auf Hähnchenfleisch unterschätzt werden (Abbildung 1). Verbraucherinnen und Verbraucher hätten somit eine deutlich höhere Exposition mit Campylobacter als bisher angenommen.

Neben dem Aufbau von Expertise im Umgang mit VBNC-Campylobacter, sollen Ergebnisse aus dem Projekt direkt dem mikrobiologischen Zweig der Arbeitsgruppe zur Verfügung gestellt werden und dazu dienen neue Erkenntnisse über die Prävalenz von nicht-kultivierbaren, aber überlebensfähigen Campylobacter spp. auf Masthähnchenfleisch zu erzeugen, die Entwicklung von kosteneffizienten und sensitiven Detektionsmethoden von VBNC-Campylobacter spp. voranzutreiben und u.a. eine Kosteneinschätzung zu VBNC-Screening-Verfahren zu ermöglichen, generelle Überlebensstrategien von Campylobacter spp. auf Hähnchenfleisch besser zu verstehen, um dadurch ideale Bedingungen und Zeitpunkte für Campylobacter-Kontrollmaßnahmen, wie etwa bei der Beprobung und Bekämpfung, zu formulieren.

Das Projekt findet im Rahmen des MRI-internen Nachwuchsförderprogramms statt und wird von einem Tandem bestehend aus einem Postdoktoranden (Dr. rer. nat. Sebastian Knorr) und einer Doktorandin (Tiziana Nicola) betreut. Weiteres Know-how und der Zugang zur internationalen Forschungselite werden durch zwei externe Projektpartner, dem Zentrum für Biotechnologie der Universität Bielefeld (CeBiTec), der Universität Konstanz (Lehrstuhl Biopolymerchemie, Prof. Dr. Jörg Hartig) (Abbildung 2) sowie einer Kooperation mit Prof. Jonathan Brewer (University of Southern Denmark) sichergestellt.