Süße Lactose spart Zucker in Milchprodukten
Joghurt- und Milchmischerzeugnisse enthalten bis zu 20 Prozent Gesamtzucker. Lactose (Milchzucker) hat dabei zwar häufig einen Anteil von 4-6 Prozent, trägt aber aufgrund ihrer geringen Süßkraft wenig zur Gesamtsüße der Produkte bei. Die Spaltung der Lactose durch Reaktion mit dem Enzym β-Galactosidase und Wasser in die Einfachzucker Glucose und Galactose erhöht die Süßkraft und verbessert die Wasserlöslichkeit. Dieses Verfahren wird industriell angewendet. In eigenen Untersuchungen konnte am Max Rubner-Institut gezeigt werden, dass sich die Süßkraft der Lactose-hydrolysierten Produkte deutlich steigern lässt, wenn etwa die Hälfte der Glucose in einem weiteren Verfahrensschritt mit dem Enzym Glucose-Isomerase zu Fructose (Fruchtzucker) umgesetzt wird. Der Gesamtzuckergehalt von Joghurt- und Milchmischerzeugnissen kann entsprechend verringert werden.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde geprüft, ob dieses bi-enzymatische Verfahren mit β-Galactosidase und Glucose-Isomerase in die Verfahrensabläufe zur Produktion von Joghurt- und Puddingprodukten integriert werden kann. Bei Joghurt wurden auch mikrobiologische und molekularbiologische Untersuchungen angewandt, um die Reaktion der eingesetzten Milchsäurestarterkulturen während der Fermentation und der nachfolgenden Produktlagerung auf die veränderte Zuckerzusammensetzung zu untersuchen.
Zunächst wurden die enzymtechnologischen Parameter erarbeitet, um einen möglichst effektiven Umsatz der Lactose in Galactose (50 Prozent), Glucose (25 Prozent) und Fructose (25 Prozent) zu erzielen. Nach dieser Anpassung wurden prozessoptimierte Joghurt- und Puddingprodukte im Technikum hergestellt. Dabei wurde die Lactosefraktion mit Membranfiltrationsverfahren aus Magermilch abgetrennt und, wie oben beschrieben, enzymatisch so modifiziert, dass ein drei bis vier Mal so süßer Zuckersirup entstand. Alternativ wurde auch reine Lactose in bis zu 50 prozentiger Lösung als Substrat zur Enzymbehandlung eingesetzt. Nach Rückführung des Zuckersirups in die Milch und Einstellung des Fettgehaltes wurden dann Joghurt sowie Vanille- und Schokoladenpudding hergestellt. Für die Joghurtherstellung wurden zwei in Vorversuchen ausgewählte Starterkulturen eines Kooperationspartners eingesetzt und ihr Wachstum sowohl auf Selektivnährmedien als auch durch real-time PCR-Analysen bestimmt. Ebenso wurde ihr Säuerungsverlauf während der Fermentation und der Produktlagerung gemessen. Es zeigte sich, dass beide getesteten Joghurtkulturen sich in süßkraftverstärkter Milch sehr ähnlich wie in der Kontrollmilch verhielten. Es bestand auch kein Risiko von Kontamination durch Fremdbakterien während der Fermentation und der Lagerung des Joghurts, da sich die Starterkulturen ähnlich wie im herkömmlichen Joghurt durchgesetzt haben.
Die Süßkraft der Lactose aus der Milch konnte durch das bi-enzymatische System im Mittel um 80 Prozent gesteigert und der Gesamtzuckergehalt bei gleicher Süße entsprechend um 10-20 Prozent reduziert werden. Insgesamt wiesen die aus der süßkraftverstärkten Milch hergestellten Joghurt- und Puddingprodukte im Vergleich zu den Standardprodukten bei gleicher Süße eine größere Cremigkeit sowie eine stärkere Ausprägung der detektierten Geruchs- und Geschmacksmerkmale auf. Mikrobiologisch konnte durch die geänderte Zuckerzusammensetzung auch keine Veränderung der Biodiversität von sog. Nichtstarter-Milchsäurebakterien in der enzymmodifizierten Milch im Vergleich zur Kontrollmilch festgestellt werden. Die in den Technikumsversuchen gewonnenen Erkenntnisse konnten bei Versuchen im Industriemaßstab bestätigt werden.
Insgesamt ermöglicht das beschriebene bi-enzymatische Verfahren die Herstellung von Sauermilch- und Milchmischerzeugnissen mit einem reduzierten Gesamtzuckergehalt. Dar-über hinaus sind die entwickelten Verfahren aber auch für innovative Milch-, Molke- und Lactoseerzeugnisse in der Lebensmittelindustrie von Interesse.