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5. NRZ-Authent Fachgespräch

Authentizität von alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken

Nach drei Jahren, in denen das NRZ-Authent Fachgespräch pandemiebedingt nur online stattfinden konnte, empfing das Nationale Referenzzentrum für authentische Lebensmittel (NRZ-Authent) am 15. Juni 2023 ca. 35 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am MRI-Standort in Karlsruhe zum alljährlichen Fachgespräch zur Authentizität von Lebensmitteln erstmals wieder in Präsenz. In dieser Veranstaltungsreihe wird in Abgrenzung zum thematisch breiter angelegten NRZ-Authent Workshop für Expertinnen und Experten jedes Jahr gezielt eine Lebensmittelgruppe, eine bestimmte Fragestellung oder ein spezielles Analysenverfahren in den Fokus genommen. Bei der diesjährigen thematischen Gestaltung hat das NRZ-Authent den Wunsch mehrerer Untersuchungseinrichtungen aufgegriffen, sich mit der Authentizität von alkoholischen und nicht-alkoholischen Getränken auseinanderzusetzen mit dem Ziel sich gegenseitig über die aktuellen Entwicklungen zu diesem Thema in der amtlichen Lebensmittelüberwachung auszutauschen und zu informieren. In der Vorbereitung wurde seitens des NRZ-Authent daher auf eine gute Mischung aus einem breit gefächerten fachlichen Programm und den fachlichen Diskussionen sowie der Möglichkeit zum Netzwerken in den Kaffeepausen und beim geselligen Vorabend Wert gelegt.

Gerade Getränke tauchen regelmäßig unter den am häufigsten verfälschten Lebensmittel auf und waren unter anderem Schwerpunktthema der OPSON XI Operation. Interessant ist hier vor allem, dass klassische und etablierte Analysemethoden nach wie vor sehr gut angewandt werden können. In neuen Ansätzen, speziell im Non-targeted-Bereich, stecken jedoch noch große Potenziale zur Aufdeckung der verschiedensten Verfälschungen.

Die nach wie vor hohe Relevanz der Sensorik bei der Authentizitätsbestimmung generell, und insbesondere in Bezug auf Gin, stellte der Vortrag von Axel Beiler, Chemisches und Veterinär-untersuchungsamt/CVUA Rheinland, heraus. Er veranschaulichte seine Ausführungen mittels mitgebrachten Riech- (wohlgemerkt nicht Trink-!)proben. Die vorherrschende Geschmacksnote des Wacholders sowie der Bestandteil des Ethylalkohols landwirtschaftlichen Ursprungs sind zwei zentrale Kennzeichen. Zugesetzte „Botanicals“ dürfen beispielsweise nicht die Wacholdernote ersetzen beziehungsweise komplett überlagern und führen bei einem zunehmenden Variantenreichtum des Modegetränks Gin (Pink Gin, blaue Farbwechsel-Gins) immer häufiger zu Beanstandungen durch die Überwachung.

Theresa Schauer, Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheitswesen Sachsen, zeigte, wie man die beim Pestizid-Screening bekannte und üblicherweise eingesetzte QuEChERS (quick, easy, cheap, effective, rugged and safe)-Probenaufarbeitung und die daraus resultierenden Probenextrakte im Weinbereich nutzen kann, um andere Fragestellungen, etwa eine Weinklassifizierung, hier speziell Rot-/Weißweinunterscheidung, aber auch zur Rebsortendifferenzierung mittels LC-qTOF-MS (liquid chromatography quadrupole time-of-flight mass spectro-metry) zu beantworten. Stefan Pieczonka von der Technischen Universität München untersuchte mehr als einhundert Biere auf in Deutschland verbotene, aber kostengünstigere Gerstenmalzsurrogate wie Mais oder Reis mittels ultrahochauflösender Massenspektrometrie, die anschließende Bearbeitung der Daten mittels OPLS-DA (orthogonal partial least squares discriminant analysis) und den Einsatz von molekularen Netzwerken. Dadurch konnten auch andere Metabolitsignaturen wie Lipid- (Mais) oder Peptidderivate (Reis) auffindbar gemacht werden, die nach dem deutschen Reinheitsgebot nicht im Bier vorhanden sein sollten.

Den Abschluss des ersten Panels machte Carsten Fauhl-Hassek vom Bundesinstitut für Risiko-bewertung. Er demonstrierte überzeugend, wie man den Variantenreichtum bei der Weinanalytik zur Beantwortung von Authentizitätsfragen nutzen kann: etwa zielgerichtete Analytik für das Auffinden verbotener Substanzen (zum Beispiel von Glyzerinzusätzen) und nicht-zielgerichtete Analytik für die Sortendifferenzierung. Mit dem „Winechecker“, einem von dem Institut initiierten Projekt, wird zurzeit versucht, eine zentrale Datenbank in Zusammenarbeit mit diversen Untersuchungseinrichtungen für Referenzdaten von Weinproben aus Deutschland aufzubauen.

Während das erste Panel noch breiter auf alkoholische Getränke fokussierte, konzentrierte sich das zweite Panel exklusiv auf das Getränk Wein und Datenbanken. Lutz van Elk aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft berichtet von der EU-Isotopendatenbank zu Wein. Im Weinsektor gibt es nachweislich ca. 1,3 Mrd. Euro Schaden pro Jahr durch Betrug. Verfälschungspotenziale liegen bei Falschangaben zur geografischen Herkunft und zur Rebsorte, bei der Verdünnung mit Wasser und beim Zuckerzusatz. Die EU-Wein-Isotopendatenbank hat dabei neben der Weinbaukartei, der Weinbuchführung und den Weinbegleitdokumenten ein enormes Potenzial in der Betrugsbekämpfung. Eine Herausforderung ist – wie bei jeder Datenbank – die stetige Bereitstellung von weiteren Datensätzen durch die EU-Mitgliedstaaten, um eine möglichst zuverlässige Aussagekraft zu erreichen. Auch sind die Zugriffsrechte auf die Datenbank nach wie vor nicht ausreichend definiert. Daniel Kern vom Landesamt für Verbraucherschutz in Sachsen-Anhalt stellte den Aufbau einer NMR-basierten Weindatenbank für das Gebiet Saale-Unstrut vor. Unter Umständen könnten die dort gewonnenen Daten in die oben erwähnte Weindatenbank „Winechecker“ einfließen. Dazu wird gerade an der Verbesserung des Auswertemodells gearbeitet und die Anzahl der Referenzdatensätze aus dem Anbaugebiet weiter erhöht. Florian Bittner vom Julius Kühn-Institut stellte die öffentlich zugängliche Rebsorten-Datenbank „Vitis International Variety Catalogue“, (https://www.vivc.de/) seines Instituts vor. Diese enthält generelle Informationen (zum Beispiel morphologische Charakteristika) aber auch genetische Profile von über zwanzigtausend Rebsorten. Diese Informationen können beispielsweise für die Züchtung neuer Sorten genutzt werden, zum Beispiel indem züchterisch neue Resistenzen zur Anpassung an den Klimawandel in alte und neue Sorten eingebracht werden, um etwa eine bessere Widerstandskraft gegen Pilze oder auch einen besseren Schutz gegen Sonnenbrand zu erzielen.

Im dritten und letzten Panel traten dann die nicht-alkoholischen Getränke in den Fokus. René Köppel vom Kantonalen Labor Zürich präsentierte den Zuhörerinnen und Zuhörern die experimentell bestätigte, analytisch durchführbare Frischemessung von Orangensaft mittels DNA-basierte Analytik. Da die DNA säureabhängig fragmentiert wird, kann die Bestimmung des Fragmentierungsgrades mittels digitaler PCR einen Hinweis auf die Frische eines Orangensaftes geben. Für den Einsatz in der Routine wäre in einem nächsten Schritt eine umfassende Validierung der Methode mit einer größeren Anzahl an Orangensäften unterschiedlichen Frischegrades notwendig.

Peter Rinke von Safe-Global-Fair e.V. – die Eigenkontrolle der Saft-Industrie – stellte eine Reihe von quantitativen klassischen Methoden vor, die in Kombination Hinweise für diverse Fälschungsarten (Zucker-, Wasser-, Säurezusatz, Zusatz von Säften nicht-deklarierter Obstsorten) geben können. Hinsichtlich der geografischen Herkunft können neuere Methoden, wie die 1H-NMR-Analytik und eine multivariate Auswertung der Daten beispielsweise von Maracujas aus Ecuador und Peru im Vergleich zu neuen Provenienzen aus Vietnam; bei Mangos aus Indien die Sortenvarietäten wie Alphonso, Kesar und andere, ermöglichen.

Thomas Kuballa vom Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe, der schon früh die Vorteile der NMR-Analyt für den Bereich der Lebensmittelanalytik unter anderem durch die Gründung der Next NMR AG bewarb, zeigte die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten dieser Methode, viele andere die multivariate Auswertung von 20 bis 30 Analyten pro Probe. Sein methodologischer Rundflug zeigte, wie vielfältig die Nachweismethoden sind: geografische Herkunft von Bier, Wein und Kaffeesorten ebenso wie die Unterscheidung der Kaffeesorten Arabica und Robusta, dreier Rotweinsorten oder von Milch und Milchersatzprodukten (zum Beispiel Soja).

Insgesamt wurde das Fachgespräch sehr gut angenommen; schon die Resonanz vor Ort war sehr positiv und die Teilnehmenden hatten große Freude, persönlich und in Präsenz miteinander zu diskutieren und sich auszutauschen.

Das NRZ-Authent blickt schon weiter auf die nächste Veranstaltung im Spätherbst: der 7. NRZ-Authent Workshop für Expertinnen und Experten wird am 8. und 9. November 2023 virtuell stattfinden. Wir bitten alle Akteure der amtlichen Lebensmittelüberwachung proaktiv Vortragsvorschläge (zwanzig Minuten) zum Thema Authentizität von Lebensmitteln über unsere E-Mail-Adresse NRZ@~@mri.bund.de