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Pseudomonaden in Rohmilch

Kooperationsprojekt zur Qualitätserhaltung

Immer mehr Milcherzeugnisse werden in Drittländer exportiert. Um die langen Transportphasen zu überbrücken, ist es wichtig, die Haltbarkeit der exportierten Produkte zu verlängern. Dies ist bei Dauermilcherzeugnisse wie H-Milch besonders anspruchsvoll, da es aufgrund von enzymatischem Proteinabbau zu Veränderungen der Milch in Bezug auf Sensorik und Textur kommen kann. Ursache für den Verderb von Dauermilcherzeugnissen sind zu einem erheblichen Teil hitzeresistente bakterielle Peptidasen, die vor allem durch Bakterien der Gattung Pseudomonas in Rohmilch gebildet werden. Das Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie untersuchte in Zusammenarbeit mit der TU München hofseitige Einflussfaktoren auf die Pseudomonas-Keimzahl in Rohmilch.

Pseudomonaden sind kältetolerant, können bei Kühllagertemperaturen wachsen und Peptidasen bilden. Sind die Enzyme in der Rohmilch vorhanden, besteht aufgrund ihrer sehr hohen Hitzeresistenz keine Möglichkeit der Eliminierung mehr. Weil sie sich negativ auf die Produktqualität auswirken, muss vermieden werden, dass Pseudomonaden während Rohmilchlagerung und -transport durch Bakterien in der Rohmilch gebildet werden. Dies ist möglich, indem die Pseudomonas-Keimzahl in Rohmilch gesenkt wird. Derzeit ist nicht bekannt, welche weiteren Faktoren neben der Milcherzeugung und der -lagerung zu einer Erhöhung des Pseudomonas-Gehaltes beitragen. Es gibt jedoch eindeutige Hinweise, dass der Primäreintrag bei der Milchproduktion einen signifikanten Einfluss hat, wobei unklar ist, wo genau die kritischen Punkte liegen.

In einem Kooperationsprojekt mit der Technischen Universität München wurden die hofseitigen Einflussfaktoren auf die Pseudomonas-Keimzahl erhoben. Dabei wurden unterschiedliche Betriebsstrukturen von Milcherzeugern in unterschiedlichen Regionen Deutschlands berücksichtigt. Als Schwerpunkt des Projekts sollte der Zusammenhang einzelner Faktoren der Milcherzeugung mit dem Rohmilchmikrobiom und speziell einer erhöhten Pseudomonas-Keimzahl aufgeklärt werden. Dabei wurden auch spezifische Faktoren wie der Einfluss der Stapeldauer und des Transports der Rohmilch in die Molkerei sowie das Biofilmbildungsvermögen und die Peptidaseproduktion von Pseudomonas untersucht.

Die Studie zeigte, dass die Faktoren Abholungsintervall, Tierhaltung, Milchkühlung, Produktionsart und Jahreszeit die Pseudomonas-Keimzahlen am stärksten beeinflussten. Insbesondere die ökologische Haltungsform sowie eine Tierhaltung, die Auslauf- oder Weidegang ermöglicht, waren mit niedrigeren Zellzahlen assoziiert. Als kritische Stellen auf dem Hof mit hohen Pseudomonas-Keimzahlen wurden Gummioberflächen, wie die Gummidichtung beim Tankdeckel, die Dichtung des Sammelstücks für das Melkzeug sowie die Halterung der Zitzenbecher, lokalisiert. Dies weist auf ein begünstigtes Wachstum von Biofilmen an solchen Stellen hin. Die Ergebnisse zeigten, dass Biofilme einen Eintragsweg von Pseudomonas in die Rohmilch darstellen und auch durch eine erhöhte Peptidase-Bildung in dieser Wuchsform zum Milchverderb beitragen können. Um Biofilme zu beseitigen, ist es daher empfehlenswert, Reinigungsmaßnahmen unter Beachtung der Wirkungskonzentration und Temperatur korrekt durchzuführen, kritische Stellen regelmäßig manuell nachzureinigen und poröse Dichtungen auszutauschen.
  
Zudem deuten die Analysen zur Bakterien-Identifizierung auf eine sehr hohe Diversität und Variabilität von Pseudomonas in Rohmilch hin. Die Beschreibung von noch unbekannten Pseudomonas-Spezies geht dabei auch mit einem möglichen, proteolytischen Verderbspotenzial einher (Gieschler et al., 2021).

Das IGF-Vorhaben der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages von 01.07.2018-31.03.2021 (AiF 20027) gefördert.

Die Forschungsergebnisse sind im Projektkurzbericht unter https://www.fei-bonn.de/gefoerderte-projekte/projektdatenbank/aif-20027-n.projekt dargestellt.

Gieschler S, Fiedler G, Böhnlein C, Grimmler C, Franz, C.M.A.P., Kabisch J. “Pseudomonas kielensis sp. nov. and Pseudomonas baltica sp. nov., isolated from raw milk in Germany” Int J Syst Evol Microbiol. 2021. 71:004717. DOI: 10.1099/ijsem.0.004717