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Rindfleischreifung für mehr Sicherheit und Genuss

Unter Reifung versteht man im Zusammenhang mit Lebensmitteln im Wesentlichen biochemische Vorgänge, die das entsprechende Lebensmittel-Produkt genießbar machen, seine Geruchs- und Geschmacksqualität verfeinern oder zu dessen Konservierung, das bedeutet zur Erhöhung der hygienischen Stabilität und damit zum Verbrauchschutz beitragen. Dabei erfahren die Inhaltsstoffe der Nahrung durch darin enthaltene Enzyme oder durch die Einwirkung von Mikroorganismen, die sich bereits auf oder im Lebensmittel befinden (Weinhefen, Milchsäurebakterien) oder als sogenannte Starter- bzw. Schutzkulturen hinzugefügt werden (Milchsäurebakterien bei Salami, Bierhefe) eine biochemische Umwandlung. Diese zeigt sich in der Veränderung der Textur der Produkte (bessere Kaubarkeit beziehungsweise Zartheit; Saftigkeit), in der Ausprägung eines produkttypischen, ansprechenden Aromas und Geschmacks sowie in farblichen Veränderungen.

Reifung von Rindfleisch

In jüngster Zeit erlebt die traditionelle Rindfleischreifung am Haken, das sogenannte Dry-ageing, im Gegensatz zur weithin üblichen Reifung im Vakuumbeutel, eine Renaissance. Sie gewährleistet eine hohe sensorische Qualität des Fleisches vor allem in Bezug auf dessen Zartheit, aber auch hinsichtlich Aroma und Saftigkeit. Die bei der Fleischreifung ablaufenden biochemischen Prozesse sind ausgesprochen vielfältig.
Der Prozess beginnt direkt nach der Schlachtung, lateinisch post mortem, mit dem Einsetzen der Totenstarre, dem Rigor mortis. Diese führt zunächst zu einer Zunahme der Zähigkeit des Fleisches, weil die Muskeln aufgrund des Mangels an Sauerstoff und Energie bei gleichzeitiger Anhäufung von Milchsäure, die durch den Abbau des im Muskel befindlichen Zuckerstoffes Glykogen entsteht, eine Art Kontraktionszustand erlangen, der sich grundsätzlich nicht mehr löst. Dafür werden jedoch andere biochemische Veränderungen wirksam, die diesen beschriebenen Vorgang bis zum Zartwerden des Fleisches überwinden. Grundsätzlich ist eine Lagerung von mindestens zwei bis drei Wochen für die Reifung unerlässlich.

Für die Rindfleischreifung stehen im Wesentlichen zwei Verfahren zur Verfügung:

Reifung im Folienbeutel unter Luftausschluss

Die für die Fleischreifung vorgesehenen, qualitativ hochwertigen Fleischteilstücke wie Filet (Lende) und Roastbeef werden nach der Abkühlung auf ≤ 7 °C vom Schlachtkörper bzw. vom Knochen gelöst, fachgerecht zugeschnitten und in Sauerstoff undurchlässige Folienbeutel verpackt. Vor dem Verschließen der Beutel wird die Luft nahezu vollständig entzogen; es herrschen dann anaerobe Bedingungen vor. Das derart verpackte Fleisch wird dann bei 1 ± 1 °C für zwei bis drei Wochen gelagert, und zwar möglichst unter Lichtausschluss, um unerwünschte Fettveränderungen zu vermeiden. Das Fleisch sollte für diese Art der Behandlung einen pH-Wert (Säuregrad) von unter 5,8 aufweisen. Die anaeroben Bedingungen führen zur Vermehrung von Milchsäure bildenden Bakterien, den Laktobazillen, auf der Fleischoberfläche, die wiederum die Entwicklung und das Wachstum von Verderbnis erregenden Keimen hemmen oder sogar verhindern.

Die Vorteile dieses Verfahrens bestehen im geringen Bedarf an Lager- und Transportkapazität, Vermeidung der Abtrocknung und damit des Gewichtsverlustes. In der Verpackung ist das Fleisch zudem gut geschützt. Nachteilig ist, dass die Milchsäurebildung einen säuerlichen Geschmack des Fleisches hervorrufen kann.

Traditionelle Reifung

Bei der traditionellen Reifung wird entweder das gesamte Hinterviertel einer Rinderhälfte oder spezielle Teile wie das Roastbeef am Knochen unverpackt im Kühlraum bei ebenfalls etwa 1 ± 1 °C gelagert. Zusätzlich zur Temperatur sind bei diesem Reifungsverfahren die Parameter Luftfeuchtigkeit und Luftumwälzgeschwindigkeit zu beachten. Geringe Luftfeuchtigkeit und/oder eine gewisse Luftbewegung sind wichtig, um durch Abtrocknung der Fleischoberfläche das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen zu vermeiden.
Die nun fortschreitende Verbesserung der Fleischzartheit, das sogenannte „Altern des Fleisches“ (engl.: dry-ageing) basieren im Wesentlichen auf biochemischen Veränderungen der Skelettmuskulatur; das Bindegewebe verändert sich kaum. Die geordnete Struktur der Muskelfasern wird durch das Einwirken von Eiweiß spaltenden Enzymen, den Proteasen, aufgelöst. Beteiligte Gruppen von Proteasen sind vor allem Calpaine und Kathepsine. Diese Enzyme behalten auch unter Kühlhausbedingungen genügend Aktivität, um die Spaltung der Eiweiße (Proteine) zu gewährleisten. Dieser Prozess wird als Proteolyse bezeichnet.
Zur weiteren Verbesserung der Zartheit des Fleisches kann man direkt vor der küchentechnischen Zubereitung beispielsweise von Steaks mechanische Verfahren wie den sogenannten Steaker oder enzymatische Verfahren wie den Einsatz von pflanzlichen Proteasen (z.B. Papain, ein eiweißspaltendes Enzym der Papaya) anwenden.

Am Knochen gereiftes Rindfleisch hat im Vergleich zu dem in der Vakuumverpackung gereiften Fleisch einen weniger säuerlichen Geschmack. Zudem ist bei trocken gereiften Steaks der Erhitzungsverlust in der Pfanne meist geringer, wodurch die Ausbildung von Brataromen gefördert wird.