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Enzymatischer Abbau von Ebergeruch-Substanzen während der Herstellung von Fleischprodukten

Wenn Fleisch von männlichen Schweinen den typischen „Ebergeruch“ hat, der vor allem bei nicht kastrierten männlichen Mastschweinen auftritt, ist die Verarbeitung und Vermarktung ein Problem. Dies ist wirtschaftlich, ethisch und auch unter Nachhaltigkeitsaspekten sehr kritisch zu sehen. Als Schlüsselsubstanzen des Ebergeruchs wurden Skatol und Androstenon identifiziert, die insbesondere im Fett von nicht kastrierten Ebern angereichert sind. Der Geruch dieser Substanzen wird als stall-/fäkalartig bzw. urin-/schweißartig oder blumig-süßlich beschrieben. Das Inkrafttreten des Verbots der betäubungslosen Ferkelkastration aus Tierschutzgründen stellt Landwirte und Unternehmen vor die Herausforderung alternative Verfahren, wie die Jungebermast, Kastration unter allgemeiner Betäubung oder die Immunokastration, anzuwenden.

Ein Forschungsprojekt, das vom Institut für Sicherheit und Qualität bei Fleisch, Max Rubner-Institut, initiiert und koordiniert wurde, untersuchte einen innovativen Ansatz, den Ebergeruch bei der Herstellung von Wurstwaren abzubauen. Das Forschungsprojekt „Enzymatischer Abbau von Ebergeruch-Substanzen während der Herstellung von Fleischprodukten“ (Boar taint removal, BoTaRem), zielte auf eine Neutralisierung der Geruchskomponenten während der Herstellung von Brühwurst. Durch den Einsatz geeigneter Enzymmischungen während der Herstellung von Fleischprodukten sollte ermöglicht werden, ebergeruchsbelastetes Schweinefleisch zur Herstellung von sensorisch akzeptablen Brühwürsten zu verwenden. Es wurden Enzymmischungen aus Speisepilzen, den sogenannten Ständerpilzen, gewonnen, die den Ebergeruch in der Fettfraktion abbauen sollten. Beteiligt an dem Forschungsprojekt waren neben dem Max Rubner-Institut, das Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie der Justus-Liebig-Universität Gießen und die Abteilung Produktqualität tierischer Erzeugnisse der Georg-August-Universität Göttingen.

Die Bewertung der Enzymwirkung aus Pilzen konnte nur mit Hilfe adäquater, sensitiver Nachweise erfolgen. Hierfür wurde zunächst eine Methode optimiert, mit der die beiden für die sensorische Bewertung wesentlichen Stoffwechselprodukte, Androstenon (AND) und Skatol (SKA) mittels Aromaanalytik im Rahmen der Versuche mit reinen Pilzkulturen in wässrigen Lösungen erfasst und quantifiziert werden konnten (Uni Gießen). Am MRI, am Standort Kulmbach, wurde eine weitere Methode (GC-MS) für den Nachweis von insgesamt sechs Ebergeruchssubstanzen aus hitzebehandelten, fettreichen Fleischwaren optimiert (SKA und AND sowie deren Stoffwechselprodukte Indol, 2-Aminoacetophenon, ɑ- und ß-Androstenol).

Für den enzymatischen Abbau von SKA und AND wurden 29 Pilze kultiviert und überprüft. Aufbauend auf analytischen und sensorischen Ergebnissen im wässrigen System wurden vier Pilze (Irpex consors (ICO), I. lacteus (ILA), Marasmius cohortalis (MCO) und Trametes hirsuta (THI) als Produktionsorganismen ausgewählt. Daneben wurden vier kommerzielle Enzympräparate von Laccasen und Peroxidasen untersucht und Ergebnisse für den Abbau von SKA mit Laccasen im flüssigen Medium gefunden.

Im Rahmen der Verarbeitungsversuche wurden aktive und inaktivierte Pilzmyzelien und deren Kulturüberstände sowohl in wässriger Lösung als auch in fetthaltigem Brät getestet. Im Brät konnten mit MCO und ICO keine signifikanten Reduktionen der Ebergeruchssubstanzen beobachtet werden. Zwar wurde für einen Pilz, I. lacteus, eine vergleichsweise geringere Aktivität zum Abbau von SKA in wässriger Umgebung ermittelt, jedoch zeigte dieser wiederholt einen signifikanten Abbau von SKA von 20 bis 25 Prozent in Brät, weshalb diese Variante im Großmaßstab hergestellt wurde. Auch kommerzielle Laccasen und Peroxidasen wurden im Brät getestet, zeigten jedoch keinerlei Wirkung. Funktionelle Untersuchungen dieser Enzyme bestätigten die Hypothese, dass das Phasenverhalten entscheidend für die Wirkungsweise ist. Da die Ebergeruchssubstanzen fettlöslich sind und sich zu über 90 Prozent im Fettanteil befinden, ist die positive Wirkung von I. Lacteus nach wie vor Bestandteil von Untersuchungen. Weiterführende Untersuchungen sind notwendig, um einerseits die Enzyme und die Ebergeruchssubstanzen über die Phasengrenze der Emulsion hinweg besser in räumlichen Kontakt zu bringen und um andererseits die enzymatische Aktivität von hydrophilen Enzymen in einer fetthaltigen Matrix zu stabilisieren. Darüber hinaus ist die Identifizierung und Reinigung der aktiven Enzyme aus dem Pilzmycel erstrebenswert. Im Erfolgsfall erlaubt dieses Verfahren die uneingeschränkte Verwendung von vormals geruchsabweichendem Schweinefleisch und damit dessen nachhaltige Verwendung in der Lebensmittelproduktion.

Für die Durchführung sensorischer Untersuchungen wurde ein Prüferpanel auf alle sechs Ebergeruchssubstanzen geschult. Dieses begleitete die Studien zur Reduktion dieser Substanzen mit Hilfe der Pilze im wässrigen System. Darüber hinaus wurden mit diesem Prüferpanel Interaktionen der Ebergeruchssubstanzen untersucht, die mit Riechstreichen und mit dotierten Brühwürsten durchgeführt wurden. Im wässrigen Modellsystem führte die Zugabe nativen Myzels zu einer reduzierten Geruchswahrnehmung von AND und SKA. Geruchstests mittels Riechstreifen zeigten, dass die bisher wenig beachteten Substanzen Aminoacetophenon und α-Androstenol den Geruch von AND bzw. SKA verstärken. Eine sensorische Untersuchung mit dotierter Lyoner, die in einer umfangreichen Verbraucherstudie durchgeführt wurde, bestätigte die verstärkende Wirkung von Aminoacetophenon. Das führte zu dem Schluss, dass diese Substanz als mitursächlich für Ebergeruch einzustufen ist. Dementsprechend sollte in weiteren Untersuchungen auch die Reduzierung dieser Stoffwechselprodukte von AND und SKA stärker in den Fokus rücken.

Im Rahmen des Projektes ist es gelungen, neue Erkenntnisse zur Wirkungsweise von Enzymen in Emulsionssystemen, wie Brät, zu erzielen, die sich von Enzymwirkungen in wässrigen Lösungen deutlich unterscheiden. Es wurde ein Kandidaten-Pilzstamm identifiziert, der sowohl in Lösung als auch in Brät eine Wirkung zur Reduktion von SKA zeigte. Diese Ergebnisse sind für künftige Forschungsansätze essenziell, die einerseits die Reinigung der Enzyme aus Pilzkulturen und andererseits die Modifikation der Enzyme thematisieren sollten, um die Enzym-Substrat-Interaktion über Phasengrenzen hinweg zu verbessern. Im Erfolgsfall erlaubt dieses innovative Verfahren die uneingeschränkte Verwendung von vormals geruchsabweichendem Schweinefleisch. Dies wird insbesondere auch dem Tierwohl-Anspruch gerecht, da dann keine Kastration der Eber mehr erforderlich wäre.

Das IGF-Vorhaben AiF 20753 N der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Godesberger Allee 125, 53175 Bonn, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.