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Natürliche Casein-Micellen der Milch als potentielle Biotransporter

Etwa 95 Prozent der in Kuhmilch enthaltenen Caseine liegen in Form von sogenannten Casein-Micellen vor. Die Micellen haben einen Durchmesser im Bereich 50 – 300 Nanometer. Seit Jahrtausenden werden diese nanoskaligen Casein-Micellen mit der Kuhmilch von Menschen verzehrt. In der Milch haben sie die Aufgabe, Nährstoffe wie Protein, Calcium und Phosphat für Neugeborene verfügbar zu machen. Aufgrund ihrer natürlichen Funktion als „Biotransporter“ für in wässeriger Phase schlecht lösliche Substanzen, insbesondere für Calcium, sind Casein-Micellen auch für den Transport weiterer wasserunlöslicher Substanzen von essentieller Bedeutung.
Hintergrund des gemeinsam vom Institut für Sicherheit und Qualität bei Milch und Fisch, MRI, Standort Kiel, und dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik e. V. (DIL), Quakenbrück, erfolgreich durchgeführten AiF/FEI-Forschungsvorhabens „Anwendung nativer Casein-Micellen als Biotransporter für natürliche lipophile Lebensmittel-Inhaltsstoffe“ (AiF 18320 N) ist der steigende Verzehr an fettreduzierten Produkten, der zu einer verminderten Aufnahme von fettlöslichen, bioaktiven Substanzen, wie zum Beispiel von fettlöslichen Vitaminen, führen kann. Hier ist die Anwendung beladener Casein-Micellen in fettreduzierten Milchprodukten, wie etwa Joghurt, von großer Bedeutung, insbesondere wegen der möglichen homogenen Verteilung des beladenen Proteins im Produkt. Auch für Säuglingsnahrung besteht eine potentielle Anwendung. 
Native Casein-Micellen als Ausgangsmaterial lassen sich durch Mikrofiltration aus Magermilch gewinnen; im Retentat, also dem Anteil, der bei der Filtration von der Membran zurück gehalten wird, liegen nach einigen Waschschritten (Diafiltrationen) Casein-Micellen in guter Qualität angereichert vor.
Im Rahmen des Projekts wurden am MRI u. a. die Gewinnung und chemisch-physikalische Charakterisierung der nativen Casein-Micellen durchgeführt. Umfangreiche Untersuchungen zur Beladung mit Hilfe einer gezielten Kühlung und pH-Absenkung sowie die Beladungskapazität mit den lipophilen Naturstoffen β-Carotin, Vitamin D2 und Docosahexaensäure (DHA) waren weitere Arbeitsschritte. Auch die Stabilität und Freisetzung dieser Naturstoffe wurden in zahlreichen Experimenten untersucht. Dabei kamen flüssigchromatographische, spektroskopische, mikroskopische und enzymatische Methoden zur Anwendung. Am DIL wurde ein alternatives Beladungsverfahren mit Hilfe gepulster elektrischer Felder (PEF) ausführlich erprobt sowie umfangreiche physikalische Untersuchungen zur Charakterisierung der unbeladenen und beladenen Micellen ausgeführt. Diese Ergebnisse lieferten wertvolle Aussagen zu optimalen Beladungsbedingungen und zur Stabilität der Casein-Micellen.
Für die praktische Anwendung beladener Casein-Micellen ist die Herstellung von Trocken-produkten und deren Stabilität wichtig. Hierzu wurden im Rahmen des Projekts mit Vitamin D2 beladene Casein-Micell-Suspensionen sprüh- bzw. gefriergetrocknet und die erhaltenen Trockenprodukte charakterisiert. Die so produzierten Pulver wiesen alle einen vergleichbaren Vitamin D2-Gehalt auf und waren lagerstabil: Innerhalb von drei Monaten blieb der Vitamingehalt in allen Pulvern konstant. Weiterhin wurde Magermilch-Joghurt mit Vitamin D2 beladenen Casein-Micellen angereichert und einer in vitro Verdauung unterzogen. Die anschließenden Analysen zeigten, dass Casein-Micellen einen protektiven Einfluss auf Vitamin D2 im Verlauf einer in vitro Verdauung ausüben. 

In dem vom MRI und DIL gemeinsam bearbeiteten Projekt wurden somit a) erstmals natürliche Casein-Micellen mit den aufgeführten lipophilen Lebensmittel-Inhaltsstoffen mit Hilfe der beschriebenen Verfahrensschritte erfolgreich beladen und b) wichtige Informationen zur Stabilität der beladenen Casein-Micellen erhalten. Die beladenen Casein-Micellen stehen somit als Biotransporter für lipophile Lebensmittel-Inhaltsstoffe in fettfreien bzw. fettarmen Lebensmitteln zur Verfügung.

FEI-Kurzbericht, Projekt 18320 N (pdf)

Das oben genannte IGF-Vorhaben der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI), Godesberger Allee 142-148, 53175 Bonn, wird/wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.