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Acrylamid-Reduktion durch Sorten-Optimierung

Mit neuen Screeningverfahren geeignete Kartoffel-Genotypen identifizieren

Kartoffeln stellen weltweit ein wichtiges Grundnahrungsmittel dar. In Deutschland beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffeln etwa 57 kg pro Jahr, wobei die industriellen Verarbeitungserzeugnisse wie Pommes frites mit rund 60 Prozent einen hohen Anteil ausmachen. In Pommes frites kann durch die hohen Temperaturen, die beim Frittieren erreicht werden, die prozessinduzierte Kontaminante Acrylamid im Zuge der Maillard-Reaktion entstehen. Dies geht u.a. mit einer Verbräunung des Endproduktes einher. Seit April 2018 liegt der in Deutschland empfohlene Richtwert für Acrylamid in Pommes frites bei einer Konzentration von 500 µg/kg (VERORDNUNG [EU] 2017/2158). Ob der Richtwert erreicht oder gar überschritten wird, hängt maßgeblich von der Konzentration an Vorläufersubstanzen im Rohstoff, der Kartoffelknolle, ab. Dies sind in erster Linie die reduzierenden Zucker Glukose und Fruktose und die Aminosäure Asparagin. Bei diesen Knollen-eigenen Inhaltsstoffen handelt es sich, wie auch bei dem im Verarbeitungsprozess entstehenden Acrylamid, um sogenannte Minorkomponenten, da sie in der Regel in geringer Konzentration vorliegen.

Im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes ist somit die Kenntnis der Konzentration an reduzierenden Zuckern, Asparagin und Acrylamid für Züchter von besonderem Interesse. Die Anwendung der Laboranalyse von Acrylamid in Pommes frites sowie den Vorläufersubstanzen im Rohstoff stellt sich im Rahmen des langjährigen Züchtungsprozesses von Kartoffeln bisher jedoch als nicht bzw. nur schwer umsetzbar dar. Dies liegt neben den technischen Anforderungen der Laboranalysen (beispielsweise enzymatische oder chromatographische Verfahren) an dem hohen Probenaufkommen im Laufe der züchterischen Selektion. Eine einfache und kostengünstige Bestimmungsmethode ist daher eine wichtige Forschungsaufgabe.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiteten im Projekt DEPOLA (Development of Novel Screening Tools to identify Potato Genotypes with Low Acrylamide Potential) daran, für diese Problematik neue Lösungsansätze zu finden. Als neue Screeningverfahren zur Identifizierung von Kartoffel-Genotypen mit niedrigem Acrylamid-Bildungspotential im Züchtungsprozess wurden die Nahinfratrotspektroskopie sowie die Marker-gestützte Selektion getestet.

Das Projekt DEPOLA wurde am MRI am Standort Detmold im Rahmen eines internationalen Verbundvorhabens mit einem türkischen und einem deutschen Züchtungsunternehmen sowie der Niğde Ömer Halisdemir Universität in der Türkei als Projektpartner durchgeführt. Gefördert wurde es mit einer Laufzeit von März 2017 bis März 2021 auf deutscher Seite durch das Bundeministerium für Bildung und Forschung und den Projektträger DLR. Zunächst wurden über jeweils zwei Vegetationsperioden hinweg 124 neue Kartoffel-Genotypen und 61 zugelassene Sorten unter verschiedenen Umweltbedingungen an drei Versuchsstandorte in der Türkei und drei Versuchsstandorte in Deutschland angebaut und deren Ertragspotenzial erfasst. Die Anbauversuche wurden in erster Linie von den Praxispartnern vorgenommen, während die molekularen Marker an der Niğde Ömer Halisdemir Universität analysiert wurden. Grundsätzlich wurden die Kartoffelknollen sowohl aus Deutschland als auch aus der Türkei an das Detmolder Kartoffeltechnikum geliefert. Dort wurden in einer Pilotanlage zur Herstellung von Pommes frites die wesentlichen Schritte der industriellen Verarbeitung im kleineren Maßstab abgebildet. Zunächst wurden halbfertige Erzeugnisse (tiefgefrorene, vorfrittierte Pommes frites) hergestellt, die anschließend bei 175°C unter standardisierten Bedingungen ausfrittiert wurden. An Kartoffelrohbrei und ausfrittierten Pommes frites wurden Analysen der Zielparameter zum einen Vorläufersubstanzen im Rohstoff und zum anderen Acrylamid und Verbräunung im verzehrfertigen Endprodukt vorgenommen. Zusätzlich wurden Rohstoff und Endprodukt mittels Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) gemessen.
Aus den hieraus generierten Daten wurde von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein Modell entwickelt, das mit mathematischen Validierungsmethoden auf seine Eignung als Screeningverfahren zur Identifizierung von Kartoffel-Genotypen mit niedrigem Acrylamid-Bildungspotential geprüft wurde. Für die Erstellung des Modells standen zur Bestimmung der Acrylamidgehalte mittels NIRS zu Projektende 644 Daten zur Verfügung. Die Projektergebnisse zeigen, dass sehr gute bis gute Vorhersagemodelle bei der Messung des Rohstoffes mittels NIRS lediglich für Trockenmasse und Stärke entwickelt werden konnten. Teilweise konnten die Modellindizes für reduzierende Zucker und Acrylamid durch eine mathematische Vorbehandlung der Daten aber verbessert werden. Allerdings zeigten diese Minorkomponenten, die in rohen Kartoffeln bzw. in Pommes frites nur in geringer Konzentration vorkommen, erwartungsgemäß deutlich geringere Vorhersagbarkeiten. Die Modellierung des umfangreichen Datensatzes zeigt dennoch Potenziale für die Nutzung der NIRS-Technik als Vorhersagemöglichkeit im Züchtungsprozess für eine geringe Acrylamidbildung auf. Wendet man die NIRS Kalibrierung an einem Validierdatensatz an, so werden 90 Prozent der Proben korrekt in Kategorien der Unter- oder Überschreitung des Richtwertes für Acrylamid in Pommes frites eingeordnet.

Hiermit kann zukünftig ein zeit- und materialsparendes Verfahren (NIRS Messung des Rohstoffes) zur Verfügung stehen, welches bereits frühzeitig im Züchtungsprozess für Verarbeitungskartoffeln eingesetzt werden kann.

Gefördert wird das Projekt mit einer Laufzeit von März 2017 bis Oktober 2020 auf deutscher Seite durch das Bundeministerium für Bildung und Forschung und den Projektträger DLR sowie auf türkischer Seite durch die Türkische Anstalt für Wissenschaftliche und Technologische Forschung TÜBITAK.