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Kältetolerante Erdbeeren-Sorten auf dem Prüfstand

Pressemitteilungen

Was tun gegen Schäden im Obstbau durch späte Fröste?

Der Klimawandel bringt in Europa nicht nur heiße und trockene Sommer mit sich, sondern – wie die vergangenen Jahre gezeigt haben - auch vermehrt Schäden durch späte Fröste im Frühjahr. Der globale Temperaturanstieg verlagert den Beginn der Vegetationsperiode nach vorn, gleichzeitig können Frostnächte weit hinein in den Mai auftreten. In gleichem Maße, wie sich die Zeitspanne, in der kalte Nächte auftreten können, verlängert, steigt das Risiko von Ernteverlusten für die Landwirte. Ein paar warme Tage genügen, um Obstbäume, Sträucher und Stauden aufblühen zu lassen. Wenn dann eine Kaltfront die Temperaturen in den Nächten plötzlich wieder unter den Nullpunkt sinkt lässt, nehmen insbesondere die empfindlichen Blüten Schaden. Dadurch entstehen Ernteausfälle, die je nach Kultur und Standort einem Totalausfall gleichkommen können.

Landwirte und Gärtner haben verschiedene Möglichkeiten, das Risiko zu verringern: So werden mithilfe von Hubschraubern warme und kalte Luftmassen in Bodennähe durchmischt oder Weinberge und Obstplantage mit Feuern nachts beheizt. Andernorts werden bodennahe Kulturen mit speziellen Folien abgedeckt oder durch „Frostberegnung“ dünne, wasserfüllte Eispanzer über die Blüten gezogen, die dadurch vor der direkten Frosteinwirkung geschützt werden. Solche Maßnahmen sind aufwendig und wirken zudem nicht immer im erwünschten Maß. Je tiefer die nächtlichen Temperaturen sinken, umso geringer sind die Erfolgschancen.

Weniger kälteempfindliche Pflanzen einzusetzen, hieße dagegen das Problem an der Wurzel anzugehen: Diese Stoßrichtung verfolgt ein gemeinsames vom BMBF gefördertes Forschungsprojekt des Max Rubner-Instituts (MRI) und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) am Beispiel von Erdbeerpflanzen.  Prof. Peter Nick, KIT: „Wir nutzen die Biodiversität, um Probleme im Anbau zu lösen“.  Weltweit gibt es viele verschiedene Erdbeersorten und diese unterscheiden sich teilweise erheblich in ihren Eigenschaften. Gerade unter den Wildtypsorten gibt es solche, die wesentlich kältetoleranter sind als die heutigen Kultursorten. In Genbanken werden solche Sorten aufbewahrt, um sie für eine mögliche spätere Nutzung zu konservieren. Eine dieser Genbanken ist die Saatgut-Genbank für Wildpflanzen für Ernährung und Landwirtschaft (Genbank WEL), die seit 2009 mit Unterstützung des BMEL aufgebaut wurde. Die Genbank WEL umfasst insbesondere die heimischen „wilden Verwandten“ unserer heutigen Nutzpflanzen, die sog. „crop wild relatives“.

In einem ersten Schritt wurde zunächst die Kältetoleranz von etwa 70 Erdbeer-Wildtypen aus der Genbank WEL geprüft. Ein toleranter und ein empfindlicher Genotyp wurden daraufhin im Jahr 2020 im Botanischen Garten in Karlsruhe in einem Topfversuch angebaut. Sowohl die ausgewachsenen Pflanzen als auch die geernteten Früchte wurden in einer Klimakammer einem moderaten Kältereiz (2°C für 6 h) ausgesetzt. Direkt im Anschluss wurden die Blätter und die Früchte beprobt und einer umfangreichen Inhaltstoffanalyse, einer sogenannten Metabolomanalyse, unterzogen.
Die Analysen ermöglichten einen detaillierten Einblick in die Stoffwechsel-Reaktionen der beiden Erdbeer-Genotypen auf den Kältereiz. Im Blattgewebe führte der Kältereiz bei beiden Genotypen zu einem Stärkeabbau und zur Freisetzung des Abbauprodukts Maltose. Das ist eine bei Pflanzen typische Kältestress-Reaktion und Maltose dient hierbei sozusagen als „körpereigenes“ Frostschutzmittel. Darüber hinaus gab es beim empfindlichen Genotyp viele weitere Änderungen im Stoffwechselgeschehen, so z.B. eine Anreicherung von Aminosäuren oder einen Abbau von phenolischen Verbindungen. Viele dieser Änderungen kann man als Signal interpretieren: „Hilfe, es wird kalt, ich komme nicht mehr klar!“ Der tolerante Genotyp dagegen bleibt „gelassen“ und zeigt diese zusätzlichen Stoffwechselreaktionen nicht.

In den Früchten gab es auch Veränderungen im Inhaltsstoffprofil, aber diese waren bei beiden Genotypen nahezu identisch. Ein Beleg für die Aussage der Wissenschaftler am Institut für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse am Max Rubner-Institut. Dr. Christoph Weinert: „Auch von der Mutterpflanze getrennte Früchte sind noch „lebendig“ und haben einen aktiven Stoffwechsel. Daher gehen auch Temperaturveränderungen an Früchten nicht spurlos vorüber und können die Fruchtqualität und die Geschmackseigenschaften beeinflussen.“ Eine wichtige Erkenntnis, gerade im Hinblick auf Lieferketten und Lagerbedingungen im Lebensmittel-Einzelhandel.

Die Quintessenz des Projekts lautet: Wildtypen, die selbst nur winzige Früchte hervorbringen, können wertvolle Eigenschaften aufweisen, die heutige Kultursorten nicht haben. Ziel ist es nun, Wildtyp-Merkmale wie eine erhöhte Kältetoleranz mit den vorteilhaften Eigenschaften der Kultursorten – große, wohlschmeckende Früchte, hoher Ertrag, etc. - durch Züchtung auf geeignete Weise zu kombinieren.

 

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