Direkt zur Hauptnavigation springen Direkt zum Inhalt springen

Ballaststoffreiches Frühstück mit Mehrwert

Viele Kinder, aber auch nicht wenige Erwachsene beginnen den Tag mit einem Teller knuspriger Frühstückszerealien, die meist aus stärkehaltigen Getreidemehlen oder aus reiner Stärke hergestellt sind. Stärke ist ein verhältnismäßig einfach aufgebautes Kohlenhydrat, das im Dünndarm in den Einfachzucker Glucose umgebaut wird. Glucose ist sehr leicht verdaubar und sorgt damit für eine schnelle Erhöhung des Blutzuckers, der nach kurzer Zeit aber ebenso schnell wieder sinkt und ein Hungergefühl erzeugt. Andere, weit komplexer aufgebaute Kohlenhydrate sind die Ballaststoffe. Sie können vom Menschen nicht selbst verdaut werden. Erst im Dickdarm werden sie teilweise von den dort lebenden Bakterien verstoffwechselt – der Rest wird ausgeschieden. Ballaststoffe quellen im Magen auf, tragen so zur Sättigung bei und beugen auf diese Weise dem Übergewicht vor. Daneben hat diese große Stoffgruppe vielfältige gesundheitliche Wirkungen. Unter anderem können sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Der Name „Ballaststoffe“ stammt übrigens von Max Rubner. Reformulierte und funktionalisierte, mit Ballaststoffen und bioaktiven sekundären Pflanzenstoffen angereicherte Frühstückszerealien könnten also dazu beitragen, gesundheitliche Risiken zu vermindern. Knusprige Frühstückszerealien mit einer schaumartiger Struktur werden heute über „Extrusionsverfahren“ hergestellt. Schon wenige Ballaststoffe behindern dabei normalerweise die Strukturbildung, die Produkte verlieren ihre Knusprigkeit. Gleichzeitig führen solche Extrusionsverfahren zum raschen Abbau thermisch instabiler sekundärer Pflanzenstoffe (u.a. Polyphenole).

An den Instituten für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik und für Physiologie und Biochemie der Ernährung des Max Rubner-Instituts wird deshalb gemeinsam mit dem KIT (Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik, Institut für Angewandte Biowissenschaften) untersucht, ob und wie bei der Herstellung von Frühstückszerealien ein möglichst hoher Anteil der leicht verdaubaren Stärke durch Ballaststoffe ersetzt werden kann. Untersucht wird die Eignung eines Hochgeschwindigkeitsextrusionsverfahrens (High Temperature Short Time Extrusion, HTST). Arbeitshypothese des Projekts ist es, dass eine Prozessführung bei hoher Temperatur und Scherkraft über eine sehr kurze Prozessdauer es erlaubt, gleichzeitig die Behinderung der Strukturbildung durch Ballaststoffe und den Abbau thermisch instabiler Polyphenole zu minimieren sowie die Aufnahme der Polyphenole nach Verzehr (Bioverfügbarkeit) zu erhöhen. Zunächst wurde der Einfluss wichtiger thermo-mechanischer Materialeigenschaften (u.a. Viskosität, Elastizität, Schmelztemperatur) sowie Einflüsse von Temperatur, Scherrate, Wassergehalt, Verweildauer und Formulierung auf Ballaststoffgehalt und -struktur, Glucose- und Polyphenolgehalt bestimmt. Außerdem wurde die Freisetzung von Glucose und die Verfügbarkeit der Polyphenole in einem in vitro-Verdauungsmodell analysiert. Dabei kam ein sog. „Closed Cavity-Rheometer (CCR)“ zum Einsatz, mit dem sich gezielt thermo-mechanisch behandelte Proben rasch und in solchen Mengen herstellen lassen, die für die Analysen notwendig sind. In einem weiteren Schritt werden alle Daten aus dieser „Simulation“ des Extrusionsprozesses zur Steuerung eines Extruders eingesetzt. Anschließend wird insbesondere die sensorische Qualität der Extrudate (u.a. Textur, Farbe, Geschmack) bestimmt. Als ballaststoff- und polyphenolreiches Material wird ein kommerziell erhältliches Tresterpulver verwendet, das aus den Pressrückständen der Saftproduktion aus Aroniabeeren hergestellt wird. Es enthält 60 Prozent Ballaststoffe, 10 Prozent Glucose bzw. Fructose, 25 Prozent Sorbit sowie 5 Prozent Polyphenole.

Ein wichtiges Ergebnis ist, dass Ballaststoffgehalt und -struktur unabhängig von den angewendeten Bedingungen der thermo-mechanische Behandlung im CCR praktisch unverändert bleiben. Die Polyphenolgehalte werden dagegen teilweise reduziert. Eine Mischung von jeweils 50 Prozent Stärke und Tresterpulver verbessert die Erhaltung aller phenolischen Aroniainhaltsstoffe um bis zu 50 Prozent. Glucose wird nach thermo-mechanischer Behandlung der reinen Stärke bzw. von Aronia-Stärke-Mischungen im gastrointestinalen in vitro-Modell jeweils innerhalb von ca. 30 min vollständig freigesetzt. Die Gesamtmenge an freigesetzter Glucose wird damit um den Anteil der zugesetzten Trestermenge bzw. der eingesparten Stärkemenge verringert. Die Polyphenole werden unter Magen/Darmbedingungen vollständig freigesetzt und stehen damit zur Aufnahme in Darmzellen zur Verfügung, sind also „bioverfügbar“. Erste Untersuchungen im Extruder zeigen, dass die sog. „Flächenexpansion“ als entscheidendes Qualitätsmerkmal für die Strukturbildung und Knusprigkeit wie zu erwarten mit zunehmendem Anteil an Tresterpulver in Mischungen mit Stärke abnimmt. Ab etwa 30 Prozent Tresterpulver – das entspricht einer Einsparung an Stärke von 30 Prozent und einem Ballaststoffzusatz von ca. 20 Prozent – ist bei niedrigen Drehzahlen im Vergleich zu Extrudaten aus reiner Stärke eine deutliche Abnahme der Knusprigkeit festzustellen. Hohe Drehzahlen führen dagegen auch bei Stärkeeinsparungen über 30 Prozent noch zur gewünschten knusprigen Schaumstruktur mit inhomogen verteilten großen Poren.