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4. NRZ-Authent Webkonferenz-Workshop

Am 24. und 25. November 2020 fand der 4. Workshop des Nationalen Referenzzentrums für authentische Lebensmittel (NRZ-Authent) statt. 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nutzten trotz oder gerade wegen Corona die Gelegenheit, sich online über die aktuelle Entwicklung beim Thema authentische Lebensmittel zu informieren und sich auszutauschen. Hauptthema der zweitägigen Webkonferenz waren die Herausforderungen im Kampf gegen den Lebensmittelbetrug entlang der gesamten Prozesskette, das heißt von der Lebensmittelproduktion, über die Lebensmittelkontrolle vor Ort, etwa im Betrieb oder im Restaurant, bis hin zur Frage der Verwertung eventueller Beweise vor Gericht.

Im ersten, allgemeinen Panel stellten Dr. Ilka Haase, die Leiterin des NRZ-Authent, und Dr. Franz Ulberth, Leiter des wissenschaftlichen Referats für Lebensmittel und Biowissenschaften (Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission in Geel, Belgien), zunächst die verschiedenen fachlichen Updates zum NRZ-Authent bzw. den Fortentwicklungen im Kampf gegen Food Fraud auf der europäischen Ebene vor. Franz Ulberth betonte die großen technischen Herausforderungen, aber auch die Potenziale, die eine integrierte IT-Struktur (zum Beispiel für ein Frühwarnsystem) auf europäischer Ebene haben könnte. Prof. Michael Rychlik, Lehrstuhlinhaber für Analytische Lebensmittelchemie an der Technischen Universität München, informierte über die EU-Forschungsinfrastruktur Metroodfood anhand des Beispiels Authentizitätsbeurteilung von Bier.

Nach der Mittagspause folgten am ersten Tag fünf weitere Vorträge zum diesjährigen Hauptthema des Workshops: Lebensmittelbetrug entlang der Prozesskette. Den Auftakt – mit Ausführungen zu den Herausforderungen der Betriebskontrolle vor Ort – machte Maik Maschke, stellvertretender Bundesvorsitzender im Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure (BVLK). Er stellte die noch besser zu erschließenden Potenziale interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen den Akteuren, zum Beispiel mittels dem Modell „Runder Tisch“ auf Länderebene, heraus. Dietmar Möllmann, Zolloberamtsrat an der Generalzolldirektion in Köln,  berichtete über die Rolle und Arbeit des Zollfahndungsdienstes, der – wie er selbst sagt – die Rolle einer „Kriminalpolizei des Zolls“ zur Verhinderung grenzüberschreitender Kriminalität und zur Sicherung von Einnahmen des Staates durch Zölle einnimmt. Fachlich kontrovers diskutiert wurde die rechtliche Dimension des Lebensmittelbetrugs im Rahmen der nächsten drei Vorträge: während Prof. Ulrich Nöhle (im Bild), der unter anderem als Krisen- und Interimsmanager tätig ist, sowohl beim Strafmaß als auch den Aufdeckungsmöglichkeiten noch deutliche Verbesserungspotenziale identifiziert fand demgegenüber Prof. Alfred Hagen Meyer von der Rechtsanwaltskanzlei „meyer.rechtsanwaltsgesellschaft mbH“ in seiner alltäglichen Praxis das geltende Recht im Umgang mit Food Fraud und der Bestrafung von Tätern gut aufgestellt. Das Fazit des Vortrags von Staatsanwältin Ina Kinder von der Generalstaatsanwaltschaft in Berlin war, dass Food Fraud mittlerweile seinen Platz als Thema in den Staatsanwaltschaften gefunden hat, die Kommunikation zwischen Lebensmittelüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörden aber durchaus noch verbessert werden kann.

Am zweiten Tag wurde der Workshop mit dem Panel zu Werkzeugen neben der Analytik fortgesetzt: Saskia van Ruth, Professorin für Food Authenticity and Integrity an der niederländischen Universität Wageningen, referierte über psychologische Aspekte, die für eine betrügerische Tat eine Rolle spielen können, so etwa die je nach Geographie, Kultur oder Komplexität der Prozesskette variierenden Opportunitätsstrukturen, die je nachdem einen Anreiz oder eine Hürde für Lebensmittelbetrug sein können. Dr. Britta Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und Dr. Oliver Frandrup-Kuhr; Gruppenleiter Krisenmanagement am Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), stellten die Pilotphase des gemeinsam von LGL und BVL entwickelte Frühwarnsystems ISAR (Import Screening for the Anticipation of Food Risks) vor: ein vielseitiges „Big-Data“ IT-Tool zur systematischen Analyse von Preis- und Warenstromentwicklungen. Das Tool ist ein Hilfsmittel, um mögliche Gelegenheiten für Lebensmittelbetrug, zum Beispiel aufgrund einer Missernte oder anderen Marktpreisverschiebungen zu visualisieren. Zum Abschluss dieses Panels informierte Jörg Lickfett, Head of Sales  bei der Firma Eurofins Global Control GmbH, über die Potenziale, aber auch über die noch anstehenden Herausforderungen beim Einsatz von Risikoanalysen und der Blockchain-Technologie zur Verhinderung von Lebensmittelbetrug in Betrieben der Lebensmittelproduktion bzw. des -einzelhandels. Dass keine Verwertung vor Gericht ohne eindeutige, analytisch verwertbare Daten möglich ist, die wiederum auf wissenschaftlich anerkannten, standardisierten Tests beruhen, ist mittlerweile bekannt. Manfred Stoyke, Referatsleiter des Referats „Grundsatzangelegenheiten“ vom BVL, berichtete in seinem Vortrag daher über die Arbeit und Rolle der § 64 LFGB Arbeitsgruppen bei der Standardisierung und Normierung von validen, gerichtlich anerkannten Nachweismethoden und die enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN). Den Abschluss des Workshops machte der Vortrag von Thomas Greiber von der Abteilung I 1.4 des Bundesamtes für Naturschutz. Er referierte über das Nagoya-Protokoll und dessen Auswirkungen hinsichtlich der sogenannten „Nutzung“ von genetischen Ressourcen bzw. Referenzmaterial im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 511/2014. Hier muss jeder melderelevante Fall bzw. Anwendungsvorgang einzeln geprüft werden in Abhängigkeit davon, ob Eigenschaften und genetische Informationen des genetischen Materials nur beschrieben oder auch beforscht bzw. für die Züchtung verwendet werden.
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Fazit: Der ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplante Workshop wurde vom Publikum im Online-Format sehr gut angenommen. Die Abonnentenzahlen der Informationsseite des „NRZ Authent“ auf dem Fachinformationssystem Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (FIS-VL) hatte in der Woche nach dem Workshop einen deutlichen Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Das zeigt, dass die Arbeit des NRZ-Authent bei den Stakeholdern immer bekannter wird. Erneut war zu sehen, wie wichtig es ist, dass sich die unterschiedlichen Akteure bzw. Glieder innerhalb der Prozesskette gegenseitig über ihre Arbeit und Vorgehensweisen informieren und aufklären, um die Zusammenarbeit und Effektivität aller beteiligten Institutionen im Kampf gegen Food Fraud zu steigern. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer äußerten zudem den Wunsch, dass der Workshop in Zukunft als Hybrid-Veranstaltung angeboten werden könnte. Vielen sehen die Vorteile des Online-Formates, vermissen aber sehr die nur auf einer Präsenzveranstaltung möglichen und als unverzichtbar wahrgenommenen Gelegenheiten zum persönlichen Austausch, den bilateralen Gesprächen während den Kaffeepausen sowie die Gelegenheit zum Netzwerken.