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Geschmack und gesunde Inhaltsstoffe fördern

Zwiebel-Landsorten für den Ökolandbau

Die Küchenzwiebel (Allium cepa L.) ist nach der Tomate weltweit die zweitwichtigste Gemüsepflanze und wegen ihres charakteristischen Geschmacks und Geruchs sehr beliebt. Auch in Deutschland gehört die Zwiebel zu den meistverzehrten Gemüsen. Zwiebeln weisen hohe Gehalte an sekundären Pflanzenstoffen und Fruktanen auf, die gesundheitsförderliche Eigenschaften besitzen. Fruktane sind Mehrfachzucker (Oligosaccharide), die sich aus der Saccharose und weiteren Fructoseeinheiten zusammensetzen. Fruktane fungieren in Pflanzen als Speicherkohlenhydrate, sie werden zu den Ballaststoffen gerechnet.

Wie bei anderen Gemüsearten steigt auch bei Zwiebeln die Nachfrage nach Bio-Qualitäten. Es ist wünschenswert, diese steigende Nachfrage möglichst mit regional produzierten Bio-Zwiebeln zu decken. Eines der größten Hindernisse für den Anbau von Bio-Zwiebeln ist die eingeschränkte Sortenauswahl und schlechte Verfügbarkeit von Bio-Saatgut.

Es gibt viele verschiedene Zwiebelsorten mit unterschiedlichen Charakteristika, Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen von dieser Vielfalt aber meist wenig zu sehen: Zum einen wird im Handel nur zwischen „gelben“ und „roten“ Zwiebeln sowie Schalotten unterschieden, zum anderen werden hierzulande ganz überwiegend die modernen Hybridsorten   angebaut und vermarktet. Hybridsorten sind an die Bedingungen im konventionellen Anbau angepasst und erreichen unter diesen Bedingungen hohe Erträge. Außerdem sind Hybride üblicherweise nicht samenfest und nicht nachbaufähig – was bedeutet, dass die Landwirte das Saatgut immer wieder neu kaufen müssen. Der dominante Einsatz von Hybridsorten wird kritisiert, denn er führt zu einer Verdrängung anderer Sorten und könnte die Biodiversität gefährden. Außerdem wird gelegentlich berichtet, dass Gemüse von Hybridsorten vergleichsweise wenig Geschmack und Aroma aufweist.

Hybridsorten
Hybridsorten werden in einem aufwändigen Verfahren gewonnen, bei dem zunächst über mehrere Generationen zwei Inzuchtlinien erzeugt und schließlich miteinander kontrolliert gekreuzt werden. Die hierdurch erzeugten Nachkommen sind in der ersten Generation (F1) besonders robust, einheitlich und ertragreich, jedoch verschwindet dieser Vorteil in den Folgegenerationen wieder. Um Hybridsorten besonders schnell und effektiv zu gewinnen, wird oft die cytoplasmatische männliche Sterilität (CMS) ausgenutzt. Dieses bei vielen Pflanzen - auch der Zwiebel - natürlich vorkommende Phänomen rührt von Mutationen in bestimmten Teilen des Erbguts her, die zur männlichen Unfruchtbarkeit führen: Die betroffenen Pflanzen können z. B. keine fertilen Pollen mehr bilden. Diese Eigenschaft ist bei der Saatguterzeugung hilfreich, denn sie verhindert eine ungewollte Selbstbefruchtung der mütterlichen Linie. Bei Pflanzen oder Sorten, bei denen CMS nicht natürlich auftritt, kann sie im Labor künstlich hervorgerufen werden, in dem mithilfe von Zellfusionstechniken genetisches Material von anderen nah verwandten Arten eingebracht wird. Hierdurch entstehen sogenannte CMS-Hybride.

Den Hybridsorten stehen die sogenannten Landsorten gegenüber, die durch jahrhundertelange kleinbäuerliche Züchtung entstanden sind. Landsorten sind samenfeste Sorten mit einer regionalen Herkunft, die von einer großen genetischen Vielfalt gekennzeichnet sind. Das große Spektrum der Landsorten bietet die Möglichkeit, passende Sorten für den Anbau in verschiedenen Regionen mit spezifischen Standortbedingungen zu selektieren und ggf. gezielt züchterisch weiterzuentwickeln. Die Vielfalt der Landsorten zeigt sich auch in ihren unterschiedlichen geschmacklichen Eigenschaften: es gibt sowohl milde oder mittelscharfe als auch sehr scharfe Sorten.

Landsorten sind von besonderem Interesse für den ökologischen Zwiebelanbau, denn im Vergleich zum konventionellen Landbau spielt im Ökolandbau die Standortanpassung eine größere Rolle: Hier ist es besonders wichtig, Sorten einzusetzen, die an die Gegebenheiten des jeweiligen Standorts (Bodenbeschaffenheit, Fruchtfolge, Klima, Niederschlagsmenge, etc.) angepasst sind. Hybridsorten erfüllen diese Voraussetzung oft nur bedingt. Hybridsorten sind im Ökolandbau nach geltendem deutschen und EU-Recht erlaubt und werden derzeit auch noch häufig eingesetzt. Die Ökolandbau-Verbände stehen der Nutzung von Hybridsorten jedoch kritisch gegenüber und die Verwendung von CMS-Hybriden (Sorten mit cytoplasmatischer männlicher Sterilität s. Textkasten) wurde von mehreren Verbänden mittlerweile untersagt. Weil jedoch in den vergangenen Jahrzehnten durch die konventionelle Züchtung vorwiegend Hybridsorten weiterentwickelt wurden, ist das für den Ökolandbau nutzbare Sortenspektrum weiterhin eingeschränkt.

Das Max Rubner-Institut erforscht seit 2016 zusammen mit der Universität Hohenheim (AG Prof. Zörb, Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Lehrstuhl für Qualität pflanzlicher Erzeugnisse) die Qualitätseigenschaften von Zwiebel-Landsorten. Im Rahmen eines Pilotprojekts wurden zunächst zehn mittel- und westeuropäische Landsorten bzgl. ihrer Eignung für den heimischen Ökolandbau sowie hinsichtlich der Lagerfähigkeit der erzeugten Zwiebeln verglichen. Die Inhaltsstoffprofile der Sorten waren teilweise sehr unterschiedlich; außerdem veränderte sich während der Lagerung bei allen Sorten die stoffliche Zusammensetzung der Zwiebeln deutlich. Die ertragsreichste, sehr milde Sorte Jaune des Cévennes wies zugleich die geringste Lagerfähigkeit auf, was in klarem Zusammenhang mit dem Inhaltsstoffprofil stand (siehe [1,2]).

Im nachfolgenden ZwiebÖL-Projekt werden Land- und Hybridsorten hinsichtlich ihrer Eignung für den Ökolandbau verglichen. Kern des Projekts sind Feldversuche an zwei Standorten in drei Anbaujahren mit vier bis sechs Land- und Hybridsorten unter Ökolandbau-Bedingungen. Das in den Feldversuchen erzeugte Erntegut wird jeweils anschließend für sieben bis neun Monate gelagert. Es werden Ertrags- und Qualitätsparameter der Sorten bestimmt, die sensorischen Geschmackseigenschaften und die Lagerfähigkeit der Zwiebel-Bulben untersucht. Weiterhin wird überprüft, ob sich die sogenannte Kondensationstrocknung positiv auf die Lagerfähigkeit der Zwiebeln auswirkt. Sowohl frische als auch gelagerte Zwiebeln werden anschließend einer umfangreichen Inhaltsstoffanalytik unterzogen, um die Profile der flüchtigen und nicht-flüchtigen Inhaltsstoffe der Land- und Hybridsorten zu bestimmen und lagerungsbedingte Veränderungen dieser Profile zu erfassen. Hierbei sollen insbesondere ungerichtete GC-MS-, GCxGC-MS- und LC-MS-Methoden eingesetzt werden. In einem eigenen Arbeitspaket wird außerdem die aus vielen verschiedenen Bakterien- und Pilzarten zusammengesetzte Zwiebel-Mikrobiota analysiert. Ein aktuelles Teilprojekt widmet sich außerdem der Frage, ob ökologisch und konventionell produzierte Zwiebeln mithilfe von verschiedenen Analysenverfahren (z.B. Metabolomanalytik, Stabilisotopenanalytik, Elementanalytik oder Hochdurchsatzsequenzierung der Mikrobiota) voneinander unterschieden werden können. Parallel zu den Feldversuchen erfolgte im Jahr 2023 eine Bestandsaufnahme zum Zwiebelanbau in Deutschland, bei der das Spektrum der aktuell im konventionellen und im Ökolandbau genutzten Sorten in verschiedenen Regionen erfasst wurde. In Zusammenarbeit mit den Anbauverbänden findet schließlich ein Wissenstransfer zu den Akteurinnen und Akteuren im Anbau statt, um die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis zu überführen.

Erste Ergebnisse: Die Feldversuche ergaben, dass sich mit den Landsorten im Durchschnitt vergleichbare Erträge erzielen lassen wie mit den Hybridsorten. Zugleich weisen die Landsorten gute Qualitätsparameter auf. In den Lagerversuchen zeigte sich, dass sich die Landsorte „Birnenförmige“ länger lagern lässt als die anderen Sorten.  Durch eine Online-Umfrage wurde ermittelt, dass aktuell nur 25 Prozent der angebauten Zwiebelsorten samenfest sind. Für die Zwiebel-Anbauer haben bei der Sortenauswahl weiterhin Merkmale wie Lagerfähigkeit, Ertrag, Feldresistenz und die äußere Qualität den höchsten Stellenwert – Geschmack und Aroma wurden dagegen seltener genannt. Viele Zwiebelproduzenten zeigten Interesse an samenfesten Sorten, fühlten sich jedoch über Landsorten nicht ausreichend informiert – es fehlen schlichtweg die Erfahrungswerte im Umgang mit diesen Sorten [3]. In Versuchen zur Bodenversalzung zeigten sich Zwiebeln unerwarteter Weise weitgehend unempfindlich gegenüber einer höheren Salzbelastung, wobei sich die Landsorte Birnenförmige wiederum als besonders resistent erwies [4,5]. Die Diversität der Bakterien und Pilze auf den Zwiebeln war überraschend groß und dabei abhängig vom Anbaustandort. Es wurde mehrere bisher unbekannte Bakterienarten gefunden, diese werden aktuell eingehend charakterisiert [6,7]. Aktuell werden insbesondere die Daten der umfangreichen Inhaltsstoffanalysen ausgewertet und publiziert.
Das ZwiebÖL-Projekt (Laufzeit 2020-2025) wird gefördert vom BMEL aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramms ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN, Förderkennzeichen 2819OE019).
 

Wissenschaftliche Publikation(en)

  1. Romo-Pérez, M. L., Weinert, C. H., Häußler, M., Egert, B., Frechen, M. A., Trierweiler, B., Kulling, S. E., Zörb, C. (2020). "Metabolite profiling of onion landraces and the cold storage effect." Plant Physiology and Biochemistry 146: 428-437.
    (https://doi.org/10.1016/j.plaphy.2019.11.007)
  2. Romo Pérez, M. L., et al. (2018). "Quality aspects in open-pollinated onion varieties from Western Europe." Journal of Applied Botany and Food Quality 91: 69–78.
    (https://ojs.openagrar.de/index.php/JABFQ/article/view/8535)
  3. Romo-Pérez, M. L., „Starke Zwiebel-Landsorten – haltbar und voller Geschmack“ bioland 12/2023: 32-33
  4. M. L. Romo-Pérez, C. H. Weinert, B. Egert, B. L. Franzisky, S. E. Kulling and C. Zörb, Sodium accumulation has minimal effect on metabolite profile of onion bulbs. Plant Physiology and Biochemistry 2021 Vol. 168 Pages 423-431.
    (https://doi.org/10.1016/j.plaphy.2021.10.031)
  5. M. L. Romo-Pérez, C. H. Weinert, B. Egert, S. E. Kulling and C. Zörb, The tale of two Ions Na+ and Cl−: unraveling onion plant responses to varying salt treatments. BMC Plant Biology 2024 Vol. 24 Issue 1 Pages 1022.
    (https://doi.org/10.1186/s12870-024-05719-9)
  6. D.A. Stoll, C. Grimmler, B. Hetzer, S. E. Kulling and M. Huch (2023), „ Rathayibacter rubneri sp. nov. isolated from Allium cepa var. Rijnsburger, an onion landrace“ International Journal of Systematic and Evolutionary Microbiology 73:4 , 005811.
    (https://doi.org/10.1099/ijsem.0.005811)
  7. D. A. Stoll, C. Grimmler, B. Hetzer, A. Masoura, S. E. Kulling and M. Huch (2024), „Bosea rubneri sp. nov. Isolated from Organically Grown Allium cepa “, Current Microbiology 81:7 212.
    (https://doi.org/10.1007/s00284-024-03717-6)


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