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Geschmack und gesunde Inhaltsstoffe fördern

Zwiebel-Landsorten für den Ökolandbau

Die Küchenzwiebel (Allium cepa L.) ist nach der Tomate weltweit die zweitwichtigste Gemüsepflanze und wegen ihres charakteristischen Geschmacks und Geruchs sehr beliebt. Auch in Deutschland gehört die Zwiebel zu den meistverzehrten Gemüsen. Zwiebeln weisen hohe Gehalte an sekundären Pflanzenstoffen und Fruktanen auf, die gesundheitsförderliche Eigenschaften besitzen.

Wie bei anderen Gemüsearten steigt auch bei Zwiebeln die Nachfrage nach Bio-Qualitäten. Es ist wünschenswert, diese steigende Nachfrage möglichst mit regional produzierten Bio-Zwiebeln zu decken. Eines der größten Hindernisse für den Anbau von Bio-Zwiebeln ist die eingeschränkte Sortenauswahl und schlechte Verfügbarkeit von Bio-Saatgut. Warum ist das so?

Es gibt viele verschiedene Sorten Zwiebeln mit unterschiedlichen Charakteristika, im Handel ist die Auswahl für den Verbraucher in der Regel aber recht begrenzt. Der Grund: Im konventionellen Zwiebelanbau, der in Deutschland vorherrscht, dominieren wenige Hybridsorten.

Hybridsorten sind an die Bedingungen im konventionellen Anbau angepasst und erreichen unter diesen Bedingungen hohe Erträge. Außerdem sind Hybride üblicherweise nicht samenfest und nicht nachbaufähig – was bedeutet, dass die Landwirte das Saatgut immer wieder neu kaufen müssen. Der dominante Einsatz von Hybridsorten wird zunehmend kritisiert, denn er führt zu einer Verdrängung anderer Sorten und gefährdet letztlich die Biodiversität. Außerdem wird gelegentlich berichtet, dass Gemüse von Hybridsorten vergleichsweise wenig Geschmack und Aroma aufweist.

Den Hybridsorten stehen die sogenannten Landsorten gegenüber, die durch jahrhundertelange kleinbäuerliche Züchtung entstanden sind. Landsorten sind samenfeste Sorten mit einer regionalen Herkunft, die von einer großen genetischen Vielfalt gekennzeichnet sind. Das große Spektrum der Landsorten bietet die Möglichkeit, passende Sorten für den Anbau in verschiedenen Regionen mit spezifischen Standortbedingungen zu selektieren und ggf. gezielt züchterisch weiterzuentwickeln. Landsorten weisen zudem ein breites, sortenabhängiges Inhaltsstoffprofil auf. Dies macht sie nicht nur für Anwendungen in der Bioökonomie interessant, sondern verleiht ihnen zudem sensorisch attraktive Eigenschaften. Somit bedienen die Landsorten die unterschiedlichen Erwartungen der Verbraucher, die Zwiebelsorten entweder mit süßem oder scharfem Geschmack bevorzugen.

Vor diesem Hintergrund sind die Landsorten von besonderem Interesse für den ökologischen Zwiebelanbau, denn im Vergleich zum konventionellen Landbau spielt im Ökolandbau die Standortanpassung eine größere Rolle: Hier ist es besonders wichtig, Sorten einzusetzen, die an die Gegebenheiten des jeweiligen Standorts (Bodenbeschaffenheit, Fruchtfolge, Klima, Niederschlagsmenge, etc.) angepasst sind. Hybridsorten und auch CMS-Hybridsorten sind im Ökolandbau nach geltendem deutschen und EU-Recht zwar erlaubt und werden auch noch häufig eingesetzt, sie sind jedoch nicht an die Bedingungen des Ökolandbaus angepasst. Weiterhin sind Hybridsorten im Ökolandbau aus verschiedenen Gründen nicht erwünscht und insbesondere die Verwendung von CMS-Hybriden wird von mehreren Ökolandbau-Verbänden mittlerweile untersagt. Weil jedoch in den vergangenen Jahrzehnten durch die konventionelle Züchtung vorwiegend die Hybridsorten weiterentwickelt wurden, ist das für den Ökolandbau nutzbare Sortenspektrum aktuell sehr begrenzt.

Das Max Rubner-Institut erforscht bereits seit mehreren Jahren die Qualitätseigenschaften von Zwiebel-Landsorten. Im Rahmen eines Pilotprojekts hat das Institut für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse des Max Rubner-Instituts Karlsruhe in Zusammenarbeit mit der Universität Hohenheim, Arbeitsgruppe von Prof. Zörb, Institut für Kulturpflanzenwissenschaften, Lehrstuhl für Qualität pflanzlicher Erzeugnisse, bereits erste Untersuchungen zur Eignung der Landsorten für die Verwendung im Ökolandbau sowie zur Lagerfähigkeit von ökologisch erzeugten Zwiebeln durchgeführt. Bei der Pilotstudie wurden die mittel- und westeuropäischen Landsorten Birnenförmige, Bolstar, Erfurter Lager, Jaune des Cévennes, Paille des Vertus, Rijnsburger 4, Stunova, Sturon, Wiener Bronzekugel und Zittauer Gelbe verglichen. Unter Ökolandbau-bedingungen wurden Erträge zwischen 13-32 t/ha erzielt. Den höchsten Ertrag erreichte die französische Sorte Jaune des Cévennes, die einen besonders milden und süßen Geschmack aufwies und sehr große Bulben bildete. Bei dieser Sorte trat allerdings schon nach zweimonatiger Lagerung ein zunehmender mikrobieller Verderb auf, wogegen alle anderen Sorten im Kaltlager bei 2°C für mehr als fünf Monate lagerfähig waren. Die Metabolomanalyse ergab, dass sich die Sorten im Frischzustand (d. h. direkt nach der Trocknung der Bulben) anhand ihrer Inhaltsstoffprofile in drei Dreier-Gruppen einteilen ließen. Während die Gehalte an organischen Säuren in allen Sorten annähernd gleich waren, trugen insbesondere die unterschiedlichen Gehalte an Aminosäuren und Zuckern, auch besonders der Fruktane, zur Unterscheidbarkeit der Sorten bei. Die Verderbsanfälligkeit der Sorte Jaune des Cévennes wurde wahrscheinlich durch einen hohen Gehalt an Einfachzuckern und einen niedrigen Gehalt an Fruktanen bedingt; diese Voraussetzungen ermöglichten eine schnelle Kolonisierung der Bulben durch Schadpilze. Während der Kaltlagerung veränderte sich die Zusammensetzung der Bulben aller Sorten deutlich. Beobachtet wurde z.B. ein Abbau von Fruktanen und Citronensäure, der von einer starken Anreicherung von Glutamin und vielen anderen Aminosäuren sowie Xylose, Fructose und Trehalose begleitet wurde.

Im ZwiebÖL-Projekt sollen nun Land- und Hybridsorten hinsichtlich ihrer Eignung für den Ökolandbau direkt verglichen werden. Kern des Projekts sind Feldversuche an zwei Standorten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren (2020/2021) mit vier bis sechs Land- und Hybridsorten unter Ökolandbau-Bedingungen. Das in den Feldversuchen erzeugte Erntegut wird jeweils anschließend für sieben bis neun Monate gelagert.

Es werden Ertrags- und Qualitätsparameter der Sorten bestimmt, die sensorischen Geschmackseigenschaften und die mikrobiologische Qualität bewertet sowie die Lagerfähigkeit der Zwiebel-Bulben untersucht. Weiterhin wird überprüft, ob die sogenannte Kondensationstrocknung - ein Verfahren, mit dessen Hilfe die Zwiebeln nach der Ernte im Vergleich zur herkömmlichen Scheunentrocknung in etwa doppelt so schnell äußerlich getrocknet werden können - sich positiv auf die Lagerfähigkeit der Zwiebeln auswirkt. Sowohl frische als auch gelagerte Zwiebeln werden anschließend einer umfangreichen Inhaltsstoffanalytik unterzogen, um die Profile der flüchtigen und nicht-flüchtigen Inhaltsstoffe der Land- und Hybridsorten zu bestimmen und lagerungsbedingte Veränderungen dieser Profile zu erfassen. Hierbei sollen insbesondere ungerichtete GC-MS-, GCGC-MS- und LC-MS-Methoden eingesetzt werden. Die Daten der verschiedenen Analysen werden bis zum Ende des Jahres 2022 vorliegen, die Publikation der Ergebnisse ist für 2023 vorgesehen. Parallel zu den Feldversuchen erfolgt eine Bestandsaufnahme zum Zwiebelanbau in Deutschland, bei der das Spektrum der aktuell im konventionellen und im Ökolandbau genutzten Sorten in verschiedenen Regionen erfasst wird. In Zusammenarbeit mit den Anbauverbänden wird schließlich ein Wissenstransfer zu den Akteuren im Anbau stattfinden, um die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis zu überführen.

Das ZwiebÖL-Projekt leistet einen Beitrag zur Umsetzung der Zukunftsstrategie ökologischer Landbau des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Es wird gefördert vom BMEL aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages im Rahmen des Bundesprogramms ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN, Förderkennzeichen 2819OE019).  

Wissenschaftliche Publikation(en)

  1. Romo-Pérez, M. L., Weinert, C. H., Häußler, M., Egert, B., Frechen, M. A., Trierweiler, B., Kulling, S. E., Zörb, C. (2020). "Metabolite profiling of onion landraces and the cold storage effect." Plant Physiology and Biochemistry 146: 428-437. (https://doi.org/10.1016/j.plaphy.2019.11.007)
  2. Romo Pérez, M. L., et al. (2018). "Quality aspects in open-pollinated onion varieties from Western Europe." Journal of Applied Botany and Food Quality 91: 69–78. (https://ojs.openagrar.de/index.php/JABFQ/article/view/8535)
  3. M. L. Romo-Pérez, C. H. Weinert, B. Egert, B. L. Franzisky, S. E. Kulling and C. Zörb, Sodium accumulation has minimal effect on metabolite profile of onion bulbs. Plant Physiology and Biochemistry 2021 Vol. 168 Pages 423-431. (https://doi.org/10.1016/j.plaphy.2021.10.031)