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Mykobiomanalysen

Tools zur Sicherheitsbewertung pflanzlicher Lebensmittel

Schimmelpilze sind ein elementarer Bestandteil der Biosphäre. Als zahlenmäßig zweitgrößte Organismengruppe der terrestrischen Biosphäre, direkt nach den Pflanzen, sind Pilze für eine Vielzahl bedeutender Stoffumwandlungsprozesse verantwortlich. Unter anderem bauen sie organisches Material ab und machen Nährstoffe damit für andere Lebewesen verfügbar.

Pilze kommen sowohl als Verderbserreger, Humanpathogene, Pflanzenpathogene und auch als Produzenten von pharmakologisch und toxikologisch relevanten Metaboliten wie Antibiotika und Mykotoxinen in den unterschiedlichsten Habitaten des Planeten vor: in und auf dem menschlichen und tierischen Körper, in und auf dem Erdsubstrat, der Luft und auch in und auf Pflanzen. Vornehmlich befallen Pilze als Schaderreger bereits vorgeschädigte Pflanzen, oder überreife Früchte und führen dort zu Verderb und der Bildung giftiger Stoffwechselprodukte.

Die Untersuchung der auf einem Lebensmittel vorkommenden Pilzpopulationen (Mykobiom) ist eine wichtige mykologische Forschungsarbeit des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse. Der in Abbildung 1 dargestellte Workflow zeigt die Vorgehensweise bei einer typische Mykobiomanalyse. Dabei wird meist ein befallenes Lebensmittel als Ausgangspunkt für die Analysen verwendet. Vorab werden Pilzsporen aus dem Probenmaterial vereinzelt und Reinkulturen gewonnen. Danach wird das genetische Material, also die genomische DNA, aus den Pilzen isoliert. Innerhalb der Erbinformation werden dann bestimmte Bereiche sequenziert (Genotypisierung), die sehr spezifisch für eine bestimmte Pilzgattung und Art sind. Das können die sogenannte ITS-Sequenz sein (Internal transcribed spacer), die ribosomale RNA (18S; 28S; 5S 5,8S), oder auch sogenannte „Housekeeping Gene“. Die erhaltenen Sequenzen werden dann mit speziellen Datenbanken abgeglichen und so die Pilzart identifiziert. Dabei kommen unterstützend auch klassische mikrobiologische Analysen und mikroskopische Untersuchungen zum Einsatz (Phänotypisierung).
 
Soll auch erforscht werden, welche Schimmelpilzgifte (Mykotoxine), oder sonstige toxikologisch relevanten Stoffwechselprodukte die identifizierte Pilzart produzieren kann, wird eine sogenannte Fingerprint-Chemotypisierung durchgeführt. Hierzu werden die vom Pilz gebildeten Metaboliten aus dem Pilzmyzel mit Lösemitteln extrahiert und dieser Extrakt dann dünnschichtchromatographisch aufgetrennt (Chemotypisierung). Die aufgetrennten Metaboliten werden anschließend mit Referenzstandards und vorangegangenen Chemotypisierungen bereits bekannter Pilzspezies abgeglichen. Um die genetische Kapazität eines Pilzes zur Bildung bestimmter Metaboliten einwandfrei festzustellen, muss jedoch dessen vollständiges Genom bekannt sein. Im Vergleich zu Bakterien, haben Pilze als Eukaryoten, also Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern besitzen, ein sehr viel größeres und komplexeres Genom. Analysen eukaryotischer Genome sind daher bioinformatisch sehr aufwändig. Innerhalb des Genoms, der auf Lebensmitteln vorkommenden Pilze, untersucht, identifiziert und charakterisiert das Institut für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse sogenannte Biosynthesegenclustersignaturen. So kann man auch Pilze der gleichen Art, die aber unterschiedliche Metaboliten bilden, gut unterscheiden, deren Sicherheitsrisiko einschätzen und zudem eine Aussage über deren phylogenetische Entwicklung treffen. Denn manchmal werden Mykotoxin-Gencluster auch zwischen verschiedenen Pilzarten ausgetauscht. Diesen Vorgang nennt man Horizontalen Gentransfer (HGT). Dann wird aus einem Pilz, der eigentlich nicht dafür bekannt war, plötzlich ein Mykotoxin-bildender Pilz. Solche Ereignisse kommen jedoch vergleichsweise selten und nur bei einem starken evolutionären Druck vor.

Wenn die genetische Ausstattung der Pilze bekannt ist, können mit sogenannten Keygenen molekulare Nachweisverfahren entwickelt und die Aktivität von Mykotoxin-Genen bei verschiedenen Lagerbedingungen untersucht werden.

Erkenntnisse über die molekularen Mechanismen, die den Wechselwirkungen zwischen Pilz und Pflanze zugrunde liegen, sind von elementarer Bedeutung für die Sicherstellung unserer zukünftigen Ernährung und werden im Institut für Sicherheit und Qualität bei Obst und Gemüse im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte (z. B. ZwiebÖL, AflaZ und Alternaria-UBMAL) untersucht. Aus dem so gewonnenen Wissen, werden für Politik und Gesellschaft generelle Handlungsempfehlungen abgeleitet und nachhaltige, effiziente Strategien gegen Pilzbefall und Mykotoxinbildung auf Nutzpflanzen entwickelt.