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Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Ergotalkaloide sind hochgiftig. Dabei handelt es sich um Stoffwechselprodukte des Mutterkornpilzes Claviceps purpurea, der unter anderem Getreide befallen kann. Die Dauerform dieses Pilzes (Sklerotium) ragt als dunkles, übergroßes Mutterkorn aus der Ähre. Schon der Verzehr geringer Ergotalkaloid-Mengen kann zu Übelkeit, Bauch- und Kopfschmerzen, Herz-Kreislauf-Problemen und Störungen des zentralen Nervensystems führen. Die EU hat deshalb Höchstgehalte für Mutterkorn-Sklerotien und Ergotalkaloide in bestimmten Lebensmitteln festgelegt.

In der modernen Getreidetechnologie wird alles getan, um Mutterkorn nicht ins Mehl gelangen zu lassen. Möglichkeiten, eine Ergotalkaloid-Kontamination zu vermeiden oder zu verringern, gibt es aber etwa auch beim Anbau, Transport und bei der Lagerung von Getreide. Eine Arbeitsgruppe des Instituts für Sicherheit und Qualität bei Getreide am MRI hat Handlungsempfehlungen für alle Stufen der Getreideproduktion konzipiert, mit denen das Vorkommen von Mutterkorn und die Verunreinigung mit Ergotalkaloiden effektiv reduziert werden können.

Mutterkorn

Claviceps purpurea ist ein Pilz, der Gräser und Getreide aller Art befallen kann. Er benötigt ausreichend Feuchtigkeit und infiziert vorzugsweise unbefruchtete Blüten. Anstelle eines Korns bildet sich in den betroffenen Ähren ein dunkles Mutterkorn. Mutterkörner, die nach der Ernte auf dem Feld verbleiben, können im Frühjahr auskeimen. Die austretenden Sporen können dann über die Luft frühblühende Gräser und Getreide infizieren. Auch eine Übertragung durch Insekten und die Verteilung mit dem Regen sind möglich.

Die von Mutterkorn am stärksten betroffene Getreideart ist Roggen, dessen Blüten als Fremdbefruchter über einen längeren Zeitraum geöffnet bleiben. Je nach Witterung werden auch Triticale (Kreuzung aus Weizen und Roggen), Weizen und Gerste befallen. Die giftigen Inhaltsstoffe des Mutterkorns können beim Mahlen ins Mehl gelangen.


Grenzwerte für Ergotalkaloide

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) hat im Jahr 2012 Richtwerte für die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge von Ergotalkaloiden abgeleitet, die das Bundesinstitut für Risikobewertung bestätigte. Eine Expositionsschätzung der EFSA im Jahr 2017 führte dazu, dass erstmals Höchstgehalte für Ergotalkaloide in bestimmten Lebensmitteln festgelegt wurden, beispielsweise 0,5 g/kg für Mutterkorn-Sklerotien in unverarbeitetem Getreide.

Die aktuelle EU-Verordnung 2024/1808 vom 1. Juli 2024 sieht eine Absenkung der Grenzwerte vor, um die Aufnahme von Mutterkorn und Ergotalkaloiden über den Verzehr von Lebensmitteln weiter zu reduzieren. Einige dieser niedrigeren Grenzwerte gelten erst zu einem späteren Zeitpunkt, weil das Vorkommen von Mutterkorn-Sklerotien und Ergotalkaloiden in Getreide aufgrund der klimatischen Bedingungen jährlich stark schwankt und niedrigere Höchstgehalte bei bestimmten Erzeugnissen noch nicht erreichbar sind.

Höchstgehalte an Mutterkorn-Sklerotien 

  • Unverarbeiteter Roggen: 0,2 g/kg (herabgesetzt von 0,5 g/kg; gültig ab 1. Juli 2025)
  • Alle anderen Getreidearten (außer Mais und Reis): 0,2 g/kg

Höchstgehalte an Ergotalkaloiden

  • Mahlerzeugnisse aus Roggen: 250 µg/kg (herabgesetzt von 500 µg/kg; gültig ab 1. Juli 2028)
  • Mahlerzeugnisse aus Weizen: 50 µg/kg (herabgesetzt von 100 µg/kg; gültig ab 1. Juli 2028)
  • Mahlerzeugnisse aus Gerste, Dinkel, Weizen oder Hafer: 150 µg/kg

Handlungsempfehlungen

Das Einhalten der Grenzwerte erfordert eine enge Zusammenarbeit aller an der Wertschöpfungskette beteiligten Organisationen. An der Erarbeitung von Maßnahmen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide waren deshalb unter Leitung des MRI Fachleute aus Landwirtschaft, Saatgutbetrieben, Bundessortenamt, Getreide-Erfassung und Handelsverband, Mühlen, Bäckereien, Lebensmittelverbänden und Forschungseinrichtungen beteiligt. Entstanden sind Handlungsempfehlungen für alle Stufen der Getreideproduktion: vom Anbau bis zur Verarbeitung. Die folgende Liste fasst die Maßnahmen zusammen.

Anbau und Ernte

  •  Fruchtfolge beachten und Blattfrüchte mit aufnehmen
  • Wendende Bodenbearbeitung nach Vorfrucht Roggen 
  • Vorrangig Sorten mit geringer Mutterkornanfälligkeit wählen
  • Saatstärke und -tiefe sowie Düngung so wählen, dass ein gleichmäßiges und schnelles Abblühen des Bestandes erreicht wird
  • Qualitativ hochwertiges, mutterkornfreies Saatgut aussäen
  • Ungräser im Getreidebestand bekämpfen
  • Befallsituation vor der Ernte bewerten 
  • Bei Teilbereichen mit hohem Mutterkornvorkommen: partielle Ernte in Betracht ziehen
  • Mindestens Sichtkontrolle der Mähdruschpartien und Windreinigung während der Ernte und vor der Einlagerung durchführen
  •  Häufiges Transportieren, Umwälzen und Umlagern vermeiden

Erfassung, Lagerung, Handel und Transport

  • Beratung der landwirtschaftlichen Betriebe über Maßnahmen zur Minimierung der Mutterkornbelastung
  • Sichtkontrolle und Auszählen des Mutterkornbesatzes in einer Probemenge 
  • Sicherstellen, auch durch Reinigung, dass nur unbedenkliche Partien als Lebens- und Futtermittel Verwendung finden
  • Reinigungsabgänge und Getreidestäube sachgerecht entfernen
  • Bewegung von mutterkornbelasteten Partien vermeiden

Rohstoffannahme und Verarbeitung zu Mahlerzeugnissen

  • Ordnungsgemäße Probenahme, Probenteilung und Sichtkontrolle durchführen
  • Nur Rohware annehmen, die den Status „gesund und handelsüblich“ erfüllt 
  • Reinigungstechnik konsequent einsetzen, Mutterkornausputz eliminieren und sicher entsorgen
  • Weißreinigung bei Getreide mit Mutterkornbesatz durchführen
  • Partnerschaften zwischen gut und weniger gut ausgerüsteten Betrieben bilden
  • Überprüfen, ob die eingeleiteten Maßnahmen wirksam und ausreichend sind

Herstellung von Brot- und Backwaren

  • Besondere Achtsamkeit in Backbetrieben, die Getreide selbst aufbereiten und vermahlen
  • Partnerschaften bilden und ausgefeilte Reinigungstechniken von gut ausgestatteten Mühlen nutzen
  • Falls nötig: Maßnahmen nachbessern

Der vollständige Bericht steht zum Download zur Verfügung: