Milch aus Automaten – Chancen und Risiken
Eine deutschlandweite interdisziplinäre Untersuchung
In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach regionalen, möglichst unverarbeiteten Lebensmitteln auf Seiten der Verbraucherinnen und Verbraucher gestiegen. Außerdem führen wiederkehrende Milchtiefpreisphasen dazu, dass sich Milchbäuerinnen und Milchbauern nach alternativen Vermarktungswegen umsehen. Die Ab-Hof Vermarktung von Rohmilch über Ausgabeautomaten, die auf dem Milcherzeugungsbetrieb unter bestimmten Voraussetzungen nach Lebensmittelhygieneverordnung (§17 Tier-LMHV) gestattet ist, verbindet dabei die Interessen von allen Beteiligten. An nahezu 850 Standorten über ganz Deutschland - von Föhr bis Oberstdorf - kann frische Rohmilch gezapft werden. Oft findet aber der obligatorische Abkochhinweis beim Verbraucher wenig Beachtung. Auch wie wichtig die Einhaltung der Kühlkette während Transport und Lagerung ist, ist nicht allen Konsumentinnen und Konsumenten bewusst. Dies zeigt, insbesondere in den letzten Jahren, das vermehrte Auftreten von lebensmittelbedingten Krankheitsausbrüchen, die auf den Verzehr von nicht abgekochter Rohmilch zurückzuführen sind. Aktuelle Studien belegen außerdem, dass der mikrobiologische Status von Rohmilch aus Ausgabeautomaten nicht immer einwandfrei ist. So überschritten in der Region Brandenburg etwa ein Drittel der untersuchten Rohmilchproben dabei mindestens einen mikrobiologischen Referenzwert (Pöther et al., 2019). Vergleichbare Ergebnisse lieferte auch eine Studie des Max Rubner-Instituts, die in Schleswig-Holstein durchgeführt wurde (Böhnlein et al., 2020).
Um die Relevanz der Rohmilchvermarktung und Qualitätsaspekte der Rohmilch über Ausgabeautomaten umfassend zu untersuchen, wurde das Projekt MILQMAT - „Die wirtschaftliche Bedeutung der Ab-Hof Vermarktung von Rohmilch über Zapfautomaten unter Berücksichtigung technologischer und lebensmittelhygienischer Aspekte“ gestartet.
In diesem interdisziplinären Projekt werden verschiedene Aspekte der Rohmilchausgabeautomaten untersucht. So sollen unter anderem für die Milcherzeugung Prognosen erarbeitet werden, an welchen Standorten sich die Ab-Hof Vermarktung rentiert und welche Parameter beeinflusst werden können, um den Absatz zu erhöhen. Zudem wird eine Erhebung der wirtschaftlichen Bedeutung sowie eine Bestimmung des Entwicklungspotenzials der Ab-Hof Vermarktung von Rohmilch über Ausgabeautomaten durchgeführt. Ein weiterer Fokus liegt auf den anlagentechnischen Aspekten und Reinigungs- und Desinfektionsverfahren dieser Ausgabeautomaten sowie der Erfassung des mikrobiologischen Status der Rohmilch. Aus diesen Ergebnissen werden zum einen Handlungsempfehlungen für Landwirtinnen und Landwirte in Bezug auf die Optimierung der betrieblichen Arbeitsabläufe und des Hygienemanagements abgeleitet. Zum anderen sollen Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucher insbesondere im Hinblick auf den Abkochhinweis verbessert werden.
Das Projekt mit einer Laufzeit bis Mitte 2022 wird vom Institut für Mikrobiologie und Biotechnologie am Standort Kiel koordiniert und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sicherheit und Qualität bei Milch und Fisch, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und dem Fachgebiet Agrarmärkte des Instituts für Agrarpolitik und Landwirtschaftliche Marktlehre der Universität Hohenheim durchgeführt.
Unterstützt wird das Projekt vom Deutschen Bauernverband e.V., der Milcherzeugervereinigung SH e.V. und der Landesvereinigung der Milchwirtschaft Niedersachsen e.V.
Die Förderung erfolgt aus Mitteln des Zweckvermögens des Bundes bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank mit administrativer Begleitung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).
Literatur
- Pöther, R., Scheffel, F., Behr, M., & Krowas, D. (2019). Monitoring the microbial status of raw and pasteurized milk from vending -machines in Brandenburg, Germany. Journal of Food Safety and Food Quality-Archiv für Lebensmittelhygiene, 70, 160-168.
- Böhnlein, C., Fiedler, G., Loop, J., Franz, C.M.A.P., Kabisch, J. (2020). Microbiological quality and safety of raw milk from direct sale in northern Germany. International Dairy Journal, 114 (2021) 104944.